Strafabgabe für alle Berliner Unternehmen droht!

Ab 2027 droht die sogenannte Ausbildungsplatzumlage.

Das Gesetz würde jedes Unternehmen zusätzlich belasten ohne die eigentlichen Probleme auf dem Ausbildungsmarkt zu lösen. Statt mehr Ausbildung drohen mehr Bürokratie, Klagen und Unsicherheit.

BLACKOUT im September

Späte Lehren aus dem Stromausfall in Adlershof

Der Stromausfall im Südosten Berlins war für die Unternehmen in Adlershof eine Katastrophe. Jetzt fordern sie einen besseren Schutz der Infrastruktur.

Gruppe von Einsatzkräften unter einem Zelt mit der Aufschrift 'BEVÖLKERUNGSSCHUTZ' bei Nacht vor einem Glasgebäude

Der Bevölkerungsschutz half nur mit dem Nötigsten aus: Erst 60 Stunden nach der Tat konnte die Störung behoben werden.

„Als ich am Morgen des 9. Septembers ins Büro fuhr und die Ampeln ausgefallen waren, schwante mir schon: Wie sieht es wohl bei uns aus?“, erzählt AEMtec-Chef Jan Trommershausen. „Dann kam ich in Adlershof an, und alle meine Befürchtungen waren eingetreten: Kompletter Stromausfall.“ AEMtec ist ein hochspezialisierter Zulieferer für Hightech-Unternehmen, der in Adlershof 270 Mitarbeiter beschäftigt. „Der Server war nicht mehr erreichbar, der Kontakt zu den Mitarbeitenden unterbrochen. Und einige unserer Vorprodukte müssen bei minus 30 °C gekühlt werden – das war nicht mehr möglich“, so der Geschäftsführer. Auch die Reinräume, in denen exakte Temperaturen und Luftfeuchtigkeit herrschen, waren auf unbestimmte Zeit heruntergefahren. Weil AEMtec nicht liefern konnte, drohten Lieferungen der AEMtec-Kunden auszufallen – die Reputation des Unternehmens stand auf dem Spiel. 

Älterer Mann mit grauem Haar, trägt hellblaues Hemd und grauen Blazer, steht in einem Flur mit unscharfem Hintergrund.
Wir haben uns bewusst für Adlershof entschieden, weil der Ort perfekt angebunden ist. Wir haben gedacht, wir könnten uns darauf verlassen.“
Jan Trommershausen Geschäftsführer von AEMtec

Trommershausen fragt sich nun, wie er besser hätte vorsorgen können. „Wir könnten unseren Strombedarf mit Notstromaggregaten decken“, sagt er. „Aber wir produzieren nicht auf der grünen Wiese auf dem Land, wo das normal wäre. Wir haben uns bewusst für Adlershof entschieden, weil der Ort perfekt angebunden ist. Wir haben gedacht, wir könnten uns darauf verlassen.“  Nun sind Maschinen beschädigt und Produktionen unterbrochen worden, der Schaden geht in die Hunderttausende.

Plötzlich abgeschnitten

In der Nacht zum 9. September hatten Brandanschläge auf zwei Strommasten in Berlin-Johannisthal dafür gesorgt, dass rund 50.000 Haushalte, zwei Pflegeheime und 3.000 Gewerbekunden im Süden Berlins ohne Strom dastanden. Straßenbahnen und Ampelschaltungen fielen aus. Der Technologiepark Adlershof, einer der wichtigsten TechParks Deutschlands, war plötzlich abgeschnitten. Dort arbeiten mehr als 29.000 Menschen in 1.300 Unternehmen und 18 wissenschaftlichen Einrichtungen. Für sie alle brach durch den längsten Stromausfall seit 25 Jahren die komplette Infrastruktur weg.

Belastende Ungewissheit

Und AEMTec ist kein Einzelfall. So beklagt das Forschungsunternehmen Clean Ocean Coatings, dass laufende Experimente in den Laborkühlschränken ausgefallen sind. Hier entwickeln die Gründerinnen Christina Linke und Patricia Griem Schiffsanstriche, die Treibstoff sparen könnten. „Das Schwierigste war die Ungewissheit. Jeden Tag haben wir viele Male alle Updates überprüft, aber nichts war vorhersehbar“, schreibt das Unternehmen auf LinkedIn.

Die Notstromversorgung deckt nur einen Bruchteil der vorhandenen Kühlgeräte ab.“
Mike Neumann Direktor des Landeslabors Berlin-Brandenburg

Auch das Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB) beklagt verdorbene Proben. Diese und andere, oft teure Chemikalien müssen gekühlt oder sogar tiefgekühlt gelagert werden. „Die Notstromversorgung deckt nur einen Bruchteil der vorhandenen Kühlgeräte ab“, sagt LLBB-Direktor Mike Neumann. Das Labor ist in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Verbraucherschutz, Tierseuchenbekämpfung und Umweltüberwachung tätig. 

Nach dem Anschlag war der Tatort stundenlang durch die Kriminalpolizei gesperrt. Die Reparaturen waren schwierig. Erst am 11. September, rund 60 Stunden nach der Tat, konnte die Störung behoben werden. 

STROM?
1.300
Unternehmen
waren im Technologiepark Adlershof von dem Blackout betroffen.
AUSFALL!
60
Stunden
lang blieben diese Firmen und alle umliegenden Bewohner ohne Strom.

In der Zwischenzeit hatte der Energielieferant Stromnetz Berlin fünf Updates zum jeweiligen Stand ausgegeben. „Es gibt sicher Dinge, die man verbessern kann. Aber wir haben sehr schnell reagiert und kommuniziert“, sagt Henrik Beuster von Stromnetz Berlin. Einen solch massiven Angriff zu verhindern, sei fast unmöglich. Adlershof sei nach dem n-1-Prinzip angeschlossen. Fällt ein Bestandteil des Netzes aus, kann der restliche Teil das kompensieren. In Johannisthal hatten die Täter jedoch gleich zwei Strommasten zerstört, sodass das gesamte Netz für zweieinhalb Tage lahmgelegt wurde. 

 

Blick auf beleuchtete Bürogebäude bei Abenddämmerung unter bewölktem Himmel

Keine E-mails, und die Handys häufig ohne Saft: Zwei Tage lang kommunizierte man in Adlershof über ausgehängte Zetteln.

Stromversorgung als politische Aufgabe

Mit so langen Unterbrechungen geben sich einige Unternehmen nicht zufrieden. Rainer Hammerschmidt ist Geschäftsführer des Tech-Unternehmens Bestec und stellvertretender Vorsitzender des Technologiekreises Adlershof. Bestec habe vergleichsweise geringe Schäden erlitten, sagt er. Er ist jedoch der Meinung, dass der Staat den Energieunternehmen mehr Auflagen erteilen müsse, um die Anlagen zu sichern. „Wir als Unternehmen können uns nicht auf alle Szenarien einstellen”, sagt Hammerschmidt. „Eine sichere Stromversorgung ist eine politische Aufgabe. Kritische Infrastruktur diskutieren wir ja nicht erst seit heute.“ 

Mittlerweile hat Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) mit den Unternehmern vor Ort über die Situation gesprochen. Hammerschmidt begrüßt das: „Der Senat hat jetzt hoffentlich verstanden, dass hier mehr Engagement gezeigt werden muss. Das ist ein Standort, auf den die Welt schaut.“ 

Frau in orangefarbenem Blazer und Kleid steht vor einer Hecke und einem Gebäude aus Stein.
Über 90 Prozent der Stromnetze verlaufen in Berlin bereits unter der Erde.“
Franziska Giffey Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe

Beim Senat betont man, dass man sich bereits seit einiger Zeit mit dem Thema „Kritische Infrastruktur” befasst. So gebe es seit 2022 einen Krisenstab Energie, der die Behörden und die Betreiber von Infrastruktur verknüpfen soll.  

Beim Stromnetz steht das Land zudem vor vielen Aufgaben. „In den nächsten 10 Jahren verdoppeln wir unser Stromnetz Berlin, um die steigenden Bedarfe der Stromversorgung zu bedienen. Aktuell fließen schon über 700 Millionen Euro in diesen Ausbau“, sagt  Franziska Giffey, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Bis Ende 2025 soll daher ein Resilienzkonzept vorliegen. Dazu gehören ein zweites Kabel nach Adlershof, aber auch dezentrale Versorgungskonzepte für einzelne Verbraucher oder Verbrauchergruppen.  

Der beste Schutz vor Anschlägen auf Kabel ist jedoch deren unterirdische Verlegung. „Über 90 Prozent der Stromnetze verlaufen in Berlin bereits unter der Erde“, so Giffey. Sie sieht weiteren Bedarf: Viele Unternehmen wünschten sich einen besseren Informationsfluss seitens der Energieversorger, um in besonderen Situation besser reagieren zu können. „Dazu sind wir mit der landeseigenen Stromnetz Berlin, mit der privaten BTB als lokalem Versorger in Adlershof und mit der WISTA Management im Gespräch“, so die Senatorin. 

Blick auf beleuchtete Bürogebäude bei Abenddämmerung unter bewölktem Himmel

Dunkle Wolken über dem Technologiepark: Solange der Strom fließt, glänzt Adlershof als einer der wichtigesten Tech-Standorte Europas

Trügerische Sicherheit 

Bessere Informationsketten sind bei der WISTA Management, der Betreiberfirma des Technologieparks, ein wichtiges Thema. „Die Kommunikation war nach dem Anschlag herausfordernd“, sagt WISTA-Geschäftsführer Roland Sillmann. „Wir haben auf verschiedenen Wegen versucht, die Unternehmen zu kontaktieren: auf unseren Online-Kanälen; wir haben aber auch Aushänge verteilt und sind vor Ort am Standort unterwegs gewesen. Aber es lässt sich schlecht sagen, wie viele von 1.300 Unternehmen wir so erreichen konnten.“ 

Mann in schwarzem Hemd und beiger Hose sitzt auf Holzbett, Hände vor dem Körper gefaltet, trägt Armbanduhr.

WISTA-Geschäftsführer Roland Sillmann erinnert daran, dass Veranstaltungen zu Stromausfällen und Cyberangriffen nicht besonders gut besucht waren.

Dabei sah sich die WISTA schon gut gewappnet: Nach dem Stromausfall 2016, der Unterbrechung in Köpenick 2019 und dem Angriff auf Tesla 2024 hatte die Betreibergesellschaft die Energielieferanten zu mehr Transparenz und Planbarkeit verpflichtet. „Seit 2016 hatten wir deswegen keinen Stromausfall mehr am Standort“, so Sillmann. Gleichzeitig habe man Veranstaltungen angeboten, in denen vermittelt wurde, wie Unternehmen beispielsweise auf Cyberangriffe und Stromausfälle reagieren können. „Dazu muss man allerdings sagen, dass diese Veranstaltungen relativ schlecht besucht wurden“, so der WISTA-Chef.

Ist es also möglich, dass sich die Unternehmen viel zu lange in trügerischer Sicherheit wiegten? Für Sillmann berührt das Thema Sicherheit grundlegende gesellschaftliche Fragen: „Wie offen sollen Technologie-Parks sein? Wie schützen wir Orte, die unseren Fortschritt und Wohlstand sichern?“ Mehr Kontrolle und Sicherheit seien teuer, so Sillmann. Und überkommene Regeln – wie beispielsweise beim Datenschutz – müssten geändert werden: „Das ist etwas, das uns in ganz Deutschland beschäftigt.“