Einzelhandelsimmobilien

Karstadt heißt jetzt Kalle

Klassische Warenhäuser scheinen ihre besten Jahre gesehen zu haben. Hinter den vertrauten Fassaden tun sich völlig neue Welten auf. Ein gelungenes Beispiel findet sich in Neukölln.

Das ehemalige Karstadt-Schnäppchencenter in Neukölln wird komplett umfunktioniert. Auf dem Dach soll der Kalle Grill entstehen.

Der spektakuläre Zusammenbruch des österreichischen Immobilienkonzerns Signa, die mittlerweile überwundene wiederholte Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof, haben die Frage nach der Zukunft von Warenhäusern wieder ganz oben auf die Agenda gesetzt. Politische und zivilgesellschaftliche Akteure präsentieren neue Ideen für die Standorte. Auch in der Hauptstadt sind davon mehrere Objekte betroffen: kürzlich geschlossene, aktuell funktionierende und auch solche, die eigentlich erweitert werden sollten.

Mit der Umnutzung ehemaliger Kaufhäuser hat Berlin einige Erfahrung. Kaum hatte Rudolph Karstadt seine Hauptverwaltung von Hamburg an den Alexanderplatz verlegt (sie wurde nach Plänen von Philipp Schaefer 1932 fertiggestellt), wurde das Gebäude 1934 ans Reichsfinanzministerium verkauft. Heute wird es von der Senatsbildungsverwaltung genutzt. So gesehen knüpften die Gedankenspiele, die früheren Galeries Lafayette in der Friedrichstraße oder die bestehende Galeria-Filiale am Alexanderplatz zur Zentral- und Landesbibliothek umzubauen, an lange Traditionen an. Auch die jüngste Historie zeigt, dass ehemalige Kaufhausobjekte durchaus eine Chance zur Umnutzung haben.

Kommt die ZLB ins Galeria am Alexanderplatz? Noch gibt es kein grünes Licht vom Senat

Das Warenhaus Jandorf in der Brunnenstraße ist so ein Beispiel. Seit 1945 diente es nicht mehr dem Handel, Anläufe zur Wiederbelebung dieser Funktion gab es immer wieder nach 1990, aber seit der Sanierung 2019 fungiert es als Bürogebäude und Showroom für Daimler und BMW. Die frühere Kaufhof-Filiale am Ostbahnhof wurde 2017 bis 2021 ebenfalls in ein Bürogebäude verwandelt, wichtigster Mieter ist der Berliner Onlinehändler Zalando. Das ehemalige „Bilka“- und (bis 2020) „Karstadt Sports“-Kaufhaus an der Joachimsthaler Straße erfuhr eine kulturelle Zwischennutzung und soll ab 2025 in ein multifunktionales Kultur- und Veranstaltungszentrum verwandelt werden. 

Eine bemerkenswerte Entwicklung nahm der Umbau des ehemaligen Karstadt-Schnäppchencenters (auch bekannt als SinnLeffers-Kaufhaus) an der Neuköllner Karl-Marx-Straße. Das zwischenzeitlich als „101 Neukölln“ fungierende Projekt wurde als „Kalle Neukölln“ im Frühjahr 2025b n diesem Jahr wiedereröffnet. Nach aufwendiger Sanierung und Umgestaltung (Baukosten rund 200 Millionen Euro) entstanden dort 26.000 Quadratmeter Büro-, 6.000 Quadratmeter Gastronomie- und 4.000 Quadratmeter Handelsfläche sowie eine öffentlich zugängliche begrünte Dachterrasse.

Kalle I
26.000
Quadratmeter
Bürofläche entstehen im umgebauten Karstadt in Neukölln
Kalle II
6.000
Quadratmeter
sind für Gastronomie vorgesehen, inklusive Dachrestaurant
Kalle III
4.000
Quadratmeter
bleiben für den Einzelhandel übrig, vor allem einen Supermarkt

Dazu äußerte sich Hans Stier, Partner beim Projektentwickler Maruhn Real Estate Investment GmbH (MREI), so: „Wir haben hier ein völlig neues Nutzungskonzept entworfen, das in Europa bisher einzigartig ist. Aus dem ehemaligen Kauf- und Parkhaus haben wir einen Gesamtkomplex gemacht, der etwa durch die Schaffung eines Atriums, aber auch durch die Dachterrasse freundlich, hell und topmodern ist.“ Besonderen Wert lege MREI darauf, „nicht wie ein Ufo wahrgenommen zu werden“. Kalle Neukölln solle sich in die Umgebung einfügen.

Die Zukunft einiger weiterer Warenhäuser, insbesondere ehemaliger Galeria-Filialen in Berlin, etwa im Wedding, Tempelhof oder in der Wilmersdorfer Straße, bleibt ungewiss. “Jeder Einzelhandelsstandort braucht Kultur oder Entertainment, um zukünftig attraktiv zu sein”, kommentiert IHK-Vizepräsident Robert Rückel. “Nachdem Berlin die Chance einer spektakulären Neunutzung der ehemaligen Galeries Lafayette in der Friedrichstraße verpasst hat, muss es am Alexanderplatz besser laufen. Die ZLB kann eine solche vielversprechende Möglichkeit sein, dem Alexanderplatz neues Leben einzuhauchen und gleichzeitig eine nachhaltige Nutzung bestehender Einzelhandelsflächen zu gewährleisten”. 

Jeder Einzelhandelsstandort braucht Kultur oder Entertainment, um zukünftig attraktiv zu sein“
Robert Rückel IHK-Vizepräsident