Siemens Energy: Wettbewerbsvorteil Wissen

Ishak Jonas Isik und sein Team arbeiten eng mit der Forschungs- und Entwicklungsabteilung zusammen. „Wir sind frühzeitig in die Prozesse der F&E-Abteilung eingebunden und helfen somit dabei, Erfindungen zu generieren“, sagt Isik. Hier werden neue Technologien ausgetüftelt, häufig auch in Kooperation mit Hochschulen, anderen Forschungsinstitutionen und Start-ups. Eine eigens aufgelegte Ventures-Organisation unterstützt die Zusammenarbeit zusätzlich mit Know-how und Kapital. Gleichzeitig arbeitet die IP-Abteilung in jedem einzelnen Kooperationsvertrag aus, welche Anteile an den Schutzrechten welchem Akteur zustehen. 

Für neu entwickelte Technologien prüft das Team um Isik mithilfe von Analyse-Tools, welches Marktpotenzial gegeben ist und ob andere Schutzrechte verletzt werden. Im positiven Fall werden Schutzrechte angemeldet. In welchen Ländern das jeweils geschieht, hängt individuell von der Lösung ab. Nicht jedes Produkt sei für jedes der weltweit mehr als 90 Länder, in denen Siemens Energy mit seinen 102.000 Mitarbeitern aktiv ist, relevant, erklärt Ishak Jonas Isik. Das Prozedere von der Erfindung bis zur Erteilung eines Patents dauert lange. „Es kann auch mal fünf Jahre dauern“, sagt der IP-Chef. Und damit ist noch nicht alles in trockenen Tüchern. Es folgen Nachfolgeanmeldungen. Etwa für weitere Länder.

„Vor allem Schlüsseltechnologien müssen geschützt werden“, erklärt Ishak Jonas Isik, auch „durch das Zusammenspiel von verschiedenen Schutzrechten“: Ein Beispiel für Forschungs- und Entwicklungsfelder, in denen das relevant ist: das „Blue Portfolio“, eine Reihe von Hochspannungsprodukten, in denen schädliche Treibhausgase durch „saubere Luft“ – ein Gemisch aus Stick- und natürlichem Sauerstoff – ersetzt werden. Ein weiteres Beispiel: In seiner Berliner Gigafactory erforscht und fertigt Siemens Energy Elektrolyseure für die industrielle Produktion von grünem Wasserstoff, um die Dekarbonisierung der Industrie voranzutreiben. „Unsere IP-Strategie hat den Zweck, die Technologien zu schützen und Wettbewerbsvorteile zu generieren“, sagt Siemens-Energy-Manager Isik. Zur Strategie gehört daher auch, ein Patent manchmal nicht anzumelden, sondern die Erfindung unter Verschluss zu halten, per „Geschäftsgeheimnis“. Laut Ishak Jonas Isik verfährt das Unternehmen allerdings meist zweigleisig: Patent plus Geschäftsgeheimnis für spezifisches Wissen.

Die Abteilung hat noch weitere Aufgaben, etwa Patentverletzungen aufzuspüren. „Es kommt immer wieder vor, dass Mitarbeiter auf einer Industriemesse Teile bei fremden Anbietern entdecken, deren Design von Siemens Energy stammt“, sagt der IP-Chef. In solchen Fällen senden die Anwälte der Firma dem Verletzter ein Schreiben zu und bitten um Unterlassung. Meist reicht die Mahnung aus. Nur selten braucht es Jahre, um verletzte Rechte durchzusetzen. „Wir hatten einmal ein Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt“, sagt Isik. Es dauerte zwölf Jahre, bis Siemens Energy Recht bekam und das Patent des Wettbewerbers für unwirksam erklärt wurde. 

Siemens Energy wurde erst 2020 aus der Siemens AG ausgegliedert. Der Konzern wird von Berlin aus geleitet, der Verwaltungssitz bleibt jedoch in München. In Moabit in der Sickingenstraße soll bis 2029 die neue Konzernzentrale entstehen, geplant sind drei bis zu 70 Meter hoher Türme. Siemens Energy beschäftigt 5.500 Mitarbeiter in Berlin.