Sport als Geschäftsidee

Mit den Kraft Runners durch Berlins Straßen jagen

Deutschlands größte Lauf-Community ist alles ein einem: ein Club, eine Sportartikelmarke und eine Kreativagentur. Um herauszufinden, warum das so gut läuft, haben wir kurz vor der Halbmarathon-Expo mit dem Gründer gesprochen – und sind mit den Krafties rennen gegangen.

Teilnehmerin bei einem Stadtlauf organisiert von KRAFT Runners

Als sich draußen langsam eine Menschentraube bildet, bin ich schon drin. KRAFT steht dran, aber dies hier ist kein Fitnessstudio. Trotzdem haben die 20- bis 40-Jährigen auf dem Bürgersteig alle Sportklamotten an. Ich bin hier mitten in Hipster-Land: Berlin-Mitte, Scheunenviertel, aber es eröffnet kein Club, kein Flagship-Store verkauft teure Sneaker. Es ist einfach nur „Kraft Tuesday“ und wie jeden Dienstag um 19 Uhr trifft sich Berlins größte Laufgruppe zum Training. Viele wollen am 6. April beim Berliner Halbmarathon starten. Ich nicht. Ich laufe mit, um herauszufinden, wie die „größte Lauf-Community in Deutschland“ funktioniert – und wie die Berliner Firmen von „Kraft Runners“-Gründer Eugen Fink damit ihr Geld verdienen. 

Im Ladenlokal treffe ich auf zwei junge Kraft-Runners-Mitarbeiter. „Die Leute fragen immer: Was kostet das denn, bei euch mitzutrainieren?“, quatscht Alex Mundt drauf los: „Und wir dann immer so: nee, is‘ free for all!“ Mundt trägt Schnurrbart, Hoodie und transparente Brille. Er sitzt hinter zwei Screens, während er Content kreiert und erzählt: Erst habe er Management studiert, dann aber gefiel es ihm nicht im Großkonzern, und jetzt habe er sein „Hobby zum Beruf“ gemacht und ist Teil der Kraft-Community. Die gibt’s inzwischen in 12 deutschen und österreichischen Städten, Mundt erkennt eine „Vertrendung des Laufens im urbanen Raum, vor allem durch Tiktok.“

Die Leute so: Was kostet das denn, bei euch mitzutrainieren? Und wir dann immer so: nee, is‘ free for all!“
Alex Mundt Contentcreator und Fotograf
Alex Mundt von den KRAFT Runners hält eine Kamera und lacht

Alex Mundt ist bei den Kraft Runners Creator.

Auf Tiktok und Instagram wirbt Marie Kaminski für Kraft Runners. Die Markenbotschafterin trägt schwarze Trainingsmode aus der Kraft-Modelinie, sie ist klein und superfit, mit schwarzen französischen Zöpfen, die nicht beim Laufen stören. Marie.kmnsk ist der exponierteste Fan des Kraft-Universums, das aus einem Kreativagentur und einer Events- und Trainings-GmbH besteht. „Jede Stadt hat einen Ambassador, ich mache Berlin“, erklärt sie. Früher war sie im Leichtathletikverein, was sich aber schlecht mit ihrer Arbeit im B2B-Marketing vertrug. Also ging sie laufen. „Immer allein,“, erzählt sie, „bis ich dann hier über eine Lauf-Challenge die Leute gefunden habe, mit denen wir uns gegenseitig pushen können, das macht richtig Spaß!“ So viel Spaß, dass sie die Influencerei unbezahlt nebenher macht. Noch. Denn schon ab April will sie sich selbstständig machen. Natürlich als Content-Kreatorin.  

Erst die Community, dann die Marke 

Wie aber funktioniert das wirtschaftlich? Baut hier einer seine Community um seine Marke oder andersrum? Video-Anruf bei Gründer Eugen Fink in Kalifornien. Hier hat er vor Jahren schon mal einen 550 Kilometer langen Staffellauf durch die Wüste absolviert, von Las Vegas nach L.A., denn Fink ist ein vielbeachteter Ultraläufer. Diesen Sommer will er mit 160 Kilometer Anlauf auf die Zugspitze. Gerade nimmt der 36-Jährige aber lediglich eine Auszeit mit viel Sport in der Sonne.  

Marie Kaminski bei einer Veranstaltung der KRAFT Runners

Fitness-Influencerin Marie Kaminski im „Kraftraum“ in Berlin-Mitte

Ein Teilnehmer eines Stadtlaufes von KRAFT Runners hält ein Getränk in seiner Hand und lacht

Gründer Eugen Fink ist Ultraläufer: Er mag Distanzen zwischen 100 und 160 Kilometern.

„Als wir uns 2014 gegründet haben, wussten wir, dass es genug Leute gibt, die Lust haben auf Events und auf eine Community, die ein anders gedacht ist als ein klassischer Verein“, erzählt Fink. Vorher hatte er für Nike den Run Club des Sportartikelherstellers mitgeleitet. Dann aber zog sich Nike zurück. Fink und seine Freunde stießen in die Lücke und starteten eigene Laufgruppen in Prenzlauer Berg. Treffpunkt war lange das Café Kraft in der Schivelbeiner, woher auch der Firmenname stammt. „Nach einer Weile gab es eben auch Bedarf nach Pullis und daraus ist dann der Shop entstanden, sodass wir als Unternehmen gestartet sind.“ Dort gibt es nun Laufsocken für 20, Tank-Tops für 79 oder Laufjacken für 139 Euro. „Geil ballern“, nennen es die Kraft Runners, wenn sie um die Häuser rennen, und so heißt auch ihr Online-Shop. 

„Geplant war davon gar nichts“, sagt Fink, das gelte bis heute: „Also wir kalkulieren nicht so richtig und wir planen auch nichts – wir sind eher so: das ist gerade geil, das machen wir.“ Weil das Business langsam wuchs, hob es auch erst spät ab: Nach der Pandemie übernahm Fink das Lauf-Geschäft von seinen zwei Partnern. Vor allem aber initiierte er nun auch Laufgruppen in anderen Städten: „Durch diese Expansion hat das Ganze erst richtig Fahrt aufgenommen, inzwischen besteht unsere engere Community aus rund 8.500 Leuten.“

Also wir kalkulieren nicht so richtig und wir planen auch nichts – wir sind eher so: das ist gerade geil, das machen wir!“
Eugen Fink Ultraläufer und Gründer

Dahinter stehen neun Mitarbeiter und drei Geschäftsfelder: Der Shop, der Verkauf Smartphone-optimierter Trainingspläne und vor allem: Markenpartnerschaften. Dieses Agenturgeschäft hat sich zur Haupteinnahmequelle entwickelt, immer wieder kooperieren große Sportmarken wie New Balance oder Lululemon mit Kraft, weil die Marke glaubwürdige Direktkanäle in die Szene vermitteln kann. „Dadurch können wir uns leisten, anderen Sachen nachzugehen, die mehr Spaß machen, als dem Geld hinterher zu rennen und zu gucken, wie wir diese Community monetarisieren“, betont Fink. Das kann dann so aussehen, dass Kraft wie beim letzten Berlin-Marathon ein Team zusammenstellt und auf Social Media pusht, das vom Schuhhersteller New Balance ausgestattet wird – samt Schnitzeljagd am Streckenrand und Abschluss-Event im neuen New-Balance-Store am Ku‘damm. Oder viel grundlegender: Ein Großteil der Sportmode, die im Shop samt Kraft-Logo verkauft wird, liefert mit Lululemon ein großer Hersteller, der sich aber dezent im Hintergrund hält. 

Echte Erlebnisse als Werbeplattform 

Viele Kooperationsanfragen lehne er auch ab, die Trainingssessions zum Beispiel bleiben werbefrei. Eine so stark Community-basierte Marke müsse eben sympathisch bleiben, weiß der Gründer. Sonst kann es schnell vorbei sein mit dem Sozialkapital hinter der Brand. Deshalb mag er auch keine Umsatzzahlen nennen.  

„Wir sind eine Art Kreativagentur geworden“, beschreibt er, „das heißt, wir überlegen uns Konzepte, die wir innerhalb unserer Community für Marken ausführen.“ Ein Sportartikel-Verkäufer ist Kraft Runners nur noch nebensächlich. Momentan ähnelt das Konzept eher Marketing- und Kommunikations-Agenturen wie der Berliner Bold GmbH, die großen Marken in der Torstraße in Mitte temporäre Showrooms und den Zugang zur gefühlten „In-Crowd“ bieten. So plant Kraft für Ende August erstmals, einen eigenen 10-Kilometer-Lauf zu vermarkten. Bei so einem Event können sich Marken dann als Sponsor oder Ermöglicher positionieren. „Social Media ist wichtig, aber wir haben gemerkt, dass der Bedarf nach echten Erlebnissen steigt“, sagt Fink.

Gruppenbild mit Teilnehmern eines Laufes von KRAFT Runners vor dem Reichstag in Berlin

Communitys in 12 Städten: Jede Menge Kraft Runners vor dem Reichstag in Berlin

Den Eindruck habe ich auch, als ich aus Mitte mit rund 100 weiteren Läufern durchs Abenddunkel in den Mauerpark renne. Auffällig wenige tragen Kraft-Klamotten, viele tratschen nebenher miteinander: über die Wohnungssuche, über Kartoffeln mit Leinöl oder über die Freunde mit der Segelyacht. Ich hingegen merke schon beim ersten Steigerungslauf: Mein Trainingsrückstand ist enorm. Das macht aber nichts. Hier kann jeder sein eigenes Tempo laufen. Am Ende gibt’s wie zum Start ein großes gemeinsames Stretching und dann geht’s zurück in die Kleine Hamburger, wo ein Kühlschrank mit Durstlöschern auf uns wartet. Neben mir zwingt sich ein netter Kerl, der Nick heißt, direkt sein mitgebrachtes Bircher-Müsli rein. Wir reden ein bisschen und als ich dann wohlig erschöpft aus dem Laden schlurfe,  ruft Nick mir noch hinterher: „Bis nächste Woche!“ Scheint zu funktionieren, dieses Community-Ding.

Trainingsplan auf einem Smartphone, Woche 1

...und auf geht's! So sieht der smarte Kraft-Runners-Trainingsplan für Woche 1 aus.