Bildung

"Jede Woche erhalten wir Anfragen von Professoren aus den USA"

Die Berliner ESMT ist eine weltweit führende Wirtschaftsuniversität mit Studierenden aus 100 Ländern. Nun will sie noch internationaler werden. Das liegt auch an der Politik in den USA.

Mann mit Anzug und Krawatte

Will die ESMT noch internationaler ausrichten: Prof. Jörg Rocholl

Manager fallen nicht vom Himmel. Sie brauchen eine gute Ausbildung. In der European School of Management and Technology, kurz ESMT Berlin, erhalten sie diese laut des Executive Rankings der Financial Times. In der Liste aus dem vergangenen Jahr belegt die ESMT in Deutschland Platz eins und weltweit Platz acht für maßgeschneiderte Seminare. Damit hat Berlin eine staatlich anerkannte private wissenschaftliche Hochschule von Weltruf. 

Freiheit der Wissenschaft als Pluspunkt

Nach Ansicht von ESMT-Präsident Jörg Rocholl kann die Hochschule in diesen Zeiten aber noch mit etwas viel Wichtigerem punkten: mit der in Artikel fünf des Grundgesetzes verbrieften Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre. Diese sei in vielen Ländern der Erde nicht mehr gegeben. Daher hat Rocholl Mitte Juni gemeinsam mit Jens Wüstemann, Präsident der Mannheim Business School, und Christian Andres, dem Dekan der WHU Otto Beisheim School of Management, in einem Handelsblatt-Kommentar internationale Studierende dazu aufgerufen, in Deutschland zu studieren. „Der Anlass war die Politik von Donald Trump, die die Freiheiten US-amerikanischer Universitäten einschränkt“, sagt der ESMT-Präsident. Aber: „Wir sprechen nicht nur potenzielle Studierende aus den Vereinigten Staaten, sondern auch aus China, Kanada, Mexiko und besonders aus Afrika an.“ 

Professor steht mit zwei Studentinnen und zwei Studenten im Gespräch in einem Hörsaal

Jörg Rocholl mit Studierenden der ESMT

Obwohl der Aufruf noch nicht lange her ist, sind die ersten Reaktionen deutlich zu vernehmen. „Jede Woche erhalten wir Anfragen von Professoren aus den USA“, sagt Rocholl. Er glaubt, dass die Studierenden bald nachziehen werden. Zumal die ESMT auch den Austausch mit Botschaften sowie Kooperationen mit diversen Ländern wie etwa Nigeria intensiviert hat. Rocholl ist sich sicher, dass sich das Werben auszahlt: „In einem Jahr“, so sein Wunsch, „begrüßen wir Studierende aus 150 Ländern“. Derzeit sind 1.000 Studierende aus 100 Nationen eingeschrieben. 

Die Internationalität ist eines der herausragenden Merkmale der ESMT. Etwas Vergleichbares gibt es sonst nirgends in Deutschland.“
Jörg Rocholl Präsident

Internationalität ist laut Jörg Rocholl die Stärke der ESMT

Die ESMT wurde 2002 von 25 global tätigen Unternehmen gegründet, 2006 wurde der Betrieb aufgenommen. Das Angebot umfasst Master-, MBA- und PhD-Studiengänge sowie Managementweiterbildungen. Neben den Studierenden spricht die ESMT auch Führungskräfte an, die sogenannte Executive Education Programme belegen können – 3.500 nehmen dieses Angebot jedes Jahr wahr. Den Stoff vermitteln 45 Lehrkräfte aus 20 Ländern, meist in Englisch. „Die Internationalität ist eines der herausragenden Merkmale der ESMT“, sagt Präsident Jörg Rocholl. „Etwas Vergleichbares gibt es sonst nirgends in Deutschland.“ Aus diesem Grund ist der Rocholl 2007 auch nach acht Jahren in den USA nach Berlin gekommen. „In den USA wurde ich laufend gefragt, warum es in Deutschland keine international renommierte Business School gibt.“ Als sie dann plötzlich im Entstehen war, „hat es mich angetrieben, sie mitzugestalten und weiterzuentwickeln“. Als Präsident tut er dies seit nun 14 Jahren – mit Erfolg. Die kurzzeitig aufgetretenen finanziellen Probleme wurden ausgeräumt. Die gemeinnützige GmbH schreibt, wie es für eine GmbH ohne Gewinnerzielungsabsichten Usus ist, jährlich eine Schwarze Null. 

Ein heller Hörsaal mit Studierenden und einem Dozenten

Vorlesung in einem Hörsaal der ESMT

Die ESMT steht auf drei Säulen

Die Finanzierung steht laut Rocholl auf drei Haupt-Säulen: Das sind einmal die Studiengebühren. Für ein 24-monatiges Master im Management-Studium müssen die Studierenden, sofern sie kein Stipendium erhalten, 30.000 Euro zahlen. Die zweite Säule sind die Gebühren für die Weiterbildungsprogramme, die zum Teil von den Arbeitgebern der Teilnehmer übernommen werden. Weitere Einnahmen, Standbein drei, generiert die ESMT durch Stiftungslehrstühle und aus Renditen des Stiftungsvermögens. Dieses beträgt nach eigenen Angaben 120 Mio. Euro. Zu den Stiftern und Unterstützern zählen große Unternehmen wie Allianz, Deutsche Bank, Siemens oder KPMG. Die Motivation der Dax-Konzerne und anderer Unternehmen: Viele der Absolventen arbeiten später für sie. Das gilt, so Rocholl, auch für Studierende aus dem Ausland. „Etwa 70 bis 80 Prozent der ausländischen Studierenden bleiben in Deutschland, und zwar jahrelang“, sagt er. Für den 51-Jährigen ist das ein bedeutender Erfolg. Auch, weil die ESMT Wert auf Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration legt und die Charta der Vielfalt unterzeichnet hat. 

Die Außenansicht des Gebäudes, in dem die ESMT sitzt. Aufgenommen von einer Drohne.

Außenansicht der ESMT: Die Business School sitzt im ehemaligen Staatsraatsgebäude in Mitte

Innovation, Führung und Analytics sind Schwerpunkte

Das dürfte auch ein Grund sein, warum die ESMT gut nachgefragt ist. Die Interessenten spricht außerdem die Ausrichtung an: Die Schwerpunkte liegen auf Innovation, Führung und Analytics. Das ist insbesondere für jene interessant, die ein Unternehmen gründen oder leiten wollen. Ferner ist die Business School führend im Bereich Forschung, welche laut Rocholl „eine wesentliche Voraussetzung für die Qualität der Lehre ist“. Um dies zu gewährleisten, „holen wir die besten Professoren zu uns, sie veröffentlichen in den renommiertesten Publikationen wie etwa dem Journal of Finance oder der American Economic Review“, sagt er. 

Hinzu kommt das Lernumfeld: Die Business School sitzt im ehemaligen Staatsratsgebäude. Hier wurde Erich Honecker zum Staatschef ernannt und auch wieder abgesetzt. Und was mancher nicht weiß: Hier regierte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder von 1999 bis 2001. Er war es im Übrigen auch, der sich gemeinsam mit dem damaligen Berliner Regierenden Klaus Wowereit für den Einzug der ESMT in die einstige DDR-Zentrale einsetzte. In der Folge sanierte der Berliner Architekt Hans-Günter Merz das Gebäude aufwendig, aber behutsam. Was er damals noch nicht ahnen konnte: dass die Lernenden und Lehrenden heute auf die Fassade des Humboldt-Forums blicken können. 

Personal
45
Lehrkräfte
aus 20 Ländern vermitteln die Inhalte an Studierende und Führungsräfte.
Studierende
100
Nationen
sind aktuell unter den rund 1.000 Studierenden repräsentiert.