Raumfahrt

Ein Rover aus Berlin schafft es auf den Mond

Irene Selvanathan hat geschafft, was sonst nur in Kindheitsträumen vorkommt: Sie fährt auf den Mond. Genau gesagt nicht sie, sondern ein von ihr entwickelter Rover. Ihre Firma Neurospace steht stellvertretend für einen Bereich der Berliner Wirtschaft, der sonst in der Öffentlichkeit nicht vorkommt. In der neuen Bundesregierung bekommen Raumfahrt und Forschung ein neues Ministerium, vielleicht ändert sich dadurch die Sichtbarkeit der Branche.

Irene Selvanathan mit ihrem Rover

Als Irene Selvanathan hört, dass ihr Gegenüber nie Astronautin werden wollte, schaut sie beinahe ungläubig. Und fragt sicherheitshalber nach: „Wirklich nie?“ Denn die Diplom-Ingenieurin und Nachrichtentechnikerin wollte schon als Kind ganz nach oben, ein Raumschiff bauen. Mindestens. Das mit der Astronautin hat sie dann doch gelassen, trotz bestandenem medizinischem Eignungstest. Die Wahrscheinlichkeit, genommen zu werden, sei ihr angesichts der Flut an Bewerbungen zu gering erschienen. Der Weg, den sie gegangen ist, klingt allerdings kaum weniger unwahrscheinlich. 

Irene Selvanathan kam im Alter von fünf Jahren mit ihren Eltern und Geschwistern als Flüchtling aus Sri Lanka nach Berlin. Das ist 40 Jahre her. Nach dem Abitur studierte sie an der TU und wandte sich immer stärker der Luft- und Raumfahrttechnik zu. Bei der Berliner Exolaunch GmbH arbeitete die Nachwuchs-Wissenschaftlerin an der Entwicklung eines Systems für die russische Trägerrakete Sojus. Anschließend wechselte sie zur FTI Engineering in Wildau vor den Toren der Hauptstadt. Parallel gründete sie 2020 in Berlin ihr eigenes Unternehmen, die Neurospace GmbH. Als diese elf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hatte, kündigte Selvanathan in Wildau. Neurospace will hoch hinaus, das erfordert eine Menge Energie.

Es gibt Rohstoffe, deren Vorkommen auf der Erde sehr begrenzt sind, die es aber auf dem Mond in extremer Menge gibt. Das ist ein enormer Wert.“
Irene Selvanathan Geschäftsführerin Neurospace GmbH

Neue Chancen durch modulare Systeme

Das Unternehmen entwickelt Systeme für die Raumfahrt, die modular und flexibel sind. Anpassbar, sodass der Mond oder andere außerirdische Körper vergleichsweise kostengünstig erforscht werden können. Bisher sind die Systeme geschlossen, nur für eine Anwendung gedacht, sodass bei anderer Zielsetzung alles neu entwickelt werden muss. Der modulare Ansatz von Neurospace will hier mit seiner Multifunktionalität neue Möglichkeiten eröffnen.

„Ich finde das super spannend, es gibt so tolle Anwendungsgebiete“, schwärmt ­Selvanathan und erzählt, dass Neurospace gemeinsam mit mehreren Unternehmen nach Lösungen sucht, wie man Materialien auf dem Erdtrabanten gewinnen kann. „Es gibt Rohstoffe, deren Vorkommen auf der Erde sehr begrenzt sind, die es aber auf dem Mond in extremer Menge gibt. Das ist ein enormer Wert“, deutet die Luft- und Raumfahrt-expertin die mögliche Tragweite dieser Rohstoffgewinnung an. Gern würde sie mehr davon erzählen, doch die Details bleiben vorerst noch unter Verschluss. 

Offen sichtbar ist das Gefährt, mit dem der Mond erforscht werden soll: der Rover. Das Mondfahrzeug von Neurospace soll massentauglich für die Erforschung und Nutzung der Ressourcen auf dem Mond sein und dabei unterschiedliche Aufgaben übernehmen können. Diese verschiedenen modularen Systeme müssen unter realen Bedingungen getestet werden.

Kooperation wird großgeschrieben

Wenn im Sommer nächsten Jahres die Nasa-Mission Artemis II startet, ein Vorbereitungsflug für die später geplante Mondlandung Artemis III, fliegt ein Satellit von Neurospace mit zum Mond. Für diesen Transport hatte sich das Unternehmen beworben und erfolgreich gepitcht. Die CEO zeigt sich zuversichtlich, dass zumindest Artemis II auch wirklich durchstarten kann. Angesichts der amerikanischen Politik unter Donald Trump schwinden auch in der Luft- und Raumfahrt die Gewissheiten. „Das Schlimme ist, dass man nicht langfristig planen kann“, so die Ingenieurin, die die Zusammenarbeit mit der Nasa in den höchsten Tönen lobt. Alle dort würden mit großem Engagement und viel Liebe zur Sache arbeiten und Neurospace enorm unterstützen.

Kooperation scheint ohnehin ein fester Bestandteil in der DNA von Neurospace zu sein. Eine intensive Zusammenarbeit pflegt das Unternehmen mit der TU Berlin genauso wie mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) oder der Charité, die einen Studiengang Weltraummedizin anbietet. Dazu gehört auch die Erfahrung der Schwerelosigkeit, die dort simuliert wird. Irene Selvanathan hat es ausprobiert: „Das kann ich nur empfehlen.“ 

Wenn man Innovation fördern möchte, muss man mutiger sein. Hier gibt es so viele starre Vorgaben.“
Irene Selvanathan CEO Neurospace GmbH

Auch mit anderen der etwa 80 Unternehmen und Forschungszentren im Bereich Luft- und Raumfahrttechnik in der Hauptstadtregion arbeitet Neurospace zusammen. Es ist eine lebendige Szene – und sie hat das Problem aller Deep-Tech-Start-ups in Deutschland: Oft fehlt die Risikobereitschaft und damit das notwendige Geld. „Wenn man Innovation fördern möchte, muss man mutiger sein. Hier gibt es so viele starre Vorgaben“, sagt Irene Selvanathan, die in einer Branche innovativ ist, die viel Zeit und Geld braucht. Trotzdem: „Ich liebe diesen Standort“, sagt sie und konzentriert sich weiter auf die Zukunft. Auf die Besiedelung des Mondes etwa, für 2030 plant die Nasa eine dauerhafte Basis mit etwa 25 Menschen und vielen Robotern. Auch könnte der Mond das Sprungbrett zum Mars sein. Die Luft- und Raumfahrtexpertin ist überzeugt: „Es ist so viel möglich.“