Resilienz bei digitalen Diensten

Open Source und digitale Souveränität in der Praxis

Immer mehr Berliner Unternehmen und öffentliche Einrichtungen setzen auf digitale Souveränität und wollen sich unabhängiger von großen US-Anbietern machen. Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit spielen dabei auch eine Rolle.

Mann in blauem Anzug und weißem Hemd lehnt an Geländer in modernem Gebäude mit großen Fenstern

Sieht kaum Alternativen zu US-Anbietern: DanLahiri Agboli

Technologische Unabhängigkeit gewinnt in Zeiten geopolitischer Spannungen stark an Bedeutung. Laut einer Umfrage der IHK Berlin erwarten über 80 Prozent der Berliner Unternehmen, dass digitale Souveränität bei der Softwarebeschaffung in den kommenden Jahren deutlich an Bedeutung gewinnen wird. Für mehr als die Hälfte spielt zudem die Zusammenarbeit mit regionalen IT-Dienstleistern eine wichtige Rolle, sei es bei der Auswahl oder bei der Umsetzung von IT-Projekten. 

Starke Abhängigkeit bei Cloud-Diensten

Gleichzeitig steckt Deutschland in der Cloud-Falle: 62 Prozent der Unternehmen wären ohne Cloud-Dienste arbeitsunfähig. So sind 78 Prozent der Meinung, dass Deutschland zu sehr von US-Konzernen abhängig ist. Das zeigen aktuelle Zahlen des Digitalverbandes Bitkom. Diese Abhängigkeit hat sich über Jahrzehnte entwickelt, weil sich große Anbieter wie Google und Microsoft mangels Alternativen als Standard etablierten. Entsprechend hoch bleibt die Nachfrage nach Lösungen der Tech-Unternehmen aus den USA. „Als einer der führenden Microsoft-365-Partner im Berliner Mittelstand erleben wir täglich, wie stark der Bedarf an leistungsfähigen, sicheren und skalierbaren Cloud-Lösungen gewachsen ist“, berichtet DanLahiri Agboli, Geschäftsführer von office company. Sein in Berlin-Schöneberg ansässiges Unternehmen bietet Kunden ein komplettes IT-Infrastrukturportfolio. Microsoft habe in den letzten Jahren entscheidende Fortschritte gemacht, um den Anforderungen europäischer Unternehmen Rechnung zu tragen, etwa mit dem EU Data Boundary Program.

Als einer der führenden Microsoft-365-Partner im Berliner Mittelstand erleben wir täglich, wie stark der Bedarf an leistungsfähigen, sicheren und skalierbaren Cloud-Lösungen gewachsen ist.“
DanLahiri Agboli Geschäftsführer von office company

Wunsch nach Cloud-Alternativen

Dennoch sind viele Unternehmen verunsichert und denken über ein Plus an digitaler Resilienz nach. Zu den Gründen zählen der US Cloud Act, der Behörden Zugriff auf Firmendaten erlaubt, aber auch steigende Lizenzkosten und geopolitische Krisen. So überrascht es kaum, dass laut dem „Cloud Report 2025“ 82 Prozent der Befragten große europäische Cloud-Anbieter (Hyperscaler) bevorzugen würden. Eine wachsende Rolle spielen auch Open Cloud-Dienste auf Basis von Open-Source-Software.

Vorteile offener Systeme

Bei Open-Source-Software ist alles transparent: Der Code liegt offen und kann von jedem eingesehen werden. Das hat gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit knappen Budgets und kleinen IT-Teams Vorteile: Es fallen keine Lizenzkosten an, es gibt keine überraschenden Preiserhöhungen und die Software lässt sich ohne teure Sonderlösungen anpassen. „Außerdem bietet Open-Source-Software von vertrauenswürdigen Anbietern die Sicherheit, dass die Software nur das tut, was sie soll. Es gibt keine versteckten Hintertürchen oder Spionage- und Tracking-Funktionen“, sagt Peer Heinlein, Geschäftsführer der Heinlein Group. Das Unternehmen aus Prenzlauer Berg bietet Alternativen zu etablierten Office-Paketen und Collaboration-Tools an. Der IT-Experte beobachtet derzeit europaweit ein wachsendes Interesse an Open-Source-Lösungen.

Peer Heinlein im Kurzinterview

Serie 7 x 3 = 21 Ultrakurz gefragt: Internet-Pionier Peer Heinlein
Dauer: 1 Minute
Hilmar Poganatz

Berliner IT-Strategie

Auch einzelne Bundesländer setzen zunehmend auf Open-Source-Software. Schleswig-Holstein nutzt seit April 2024 flächendeckend LibreOffice als Standard-Office-Lösung für alle 30.000 Arbeitsplätze der Landesverwaltung ein. In Thüringen erfolgt die Umstellung schrittweise und zunächst parallel zu den bisherigen Office-Produkten. Auch in Berlin bewegt sich etwas. „Open Source eröffnet uns neue Möglichkeiten, Verwaltungsleistungen flexibler, wirtschaftlicher und sicherer zu gestalten”, erklärt Martina Klement, Chief Digital Officer des Landes Berlin und Staatssekretärin für Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung. Gleichzeitig setzt Berlin mit seiner 2023 beschlossenen Open-Data-Strategie auf mehr Transparenz bei Verwaltungsdaten. Eine eigene Open-Source-Strategie für das Land soll bis Ende dieses Jahres folgen. 

Frau mit blonden Haaren, verschränkten Armen, trägt schwarzen Blazer und weiße Bluse, steht vor weißer Wand mit Säule
Open Source eröffnet uns neue Möglichkeiten, Verwaltungsleistungen flexibler, wirtschaftlicher und sicherer zu gestalten.“
Martina Klement Chief Digital Officer des Landes Berlin und Staatssekretärin für Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung

Public Code als Leitprinzip

„Wenn ‚Public Money – Public Code‘ endlich zum Leitprinzip wird, entlasten wir unser IT-Budget und unseren Haushalt“, sagt Heinlein, der auch im erweiterten Vorstand der Open Source Business Alliance (OSB Alliance) sitzt. Der bundesweite Verband vertritt über 240 Mitgliedsunternehmen, die jährlich mehr als 126 Milliarden Euro erwirtschaften. Doch Open Source ist kein Selbstläufer. „Als KMU kann man sich ‚IT-Robin-Hood-tum‘ schlichtweg nicht leisten – schon gar nicht jetzt, wo Unternehmen durch KI dringender denn je darauf achten müssen, nicht den technischen Anschluss zu verlieren“, ist Agboli überzeugt. Die Kritik, Open-Source-Software könne mit den gängigen Produkten der US-Techgiganten nicht mithalten, kann Peer Heinlein aber nicht nachvollziehen: „Heutige Open-Source-Lösungen sind hochprofessionell entwickelte Software mit guter Usability, Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit.“ Ein Umstieg sei nicht schwer: „Wir haben seit Jahrzehnten Erfahrung darin, sowohl Administratoren als auch Anwender zu schulen. Und für den Datenumzug haben wir spezialisierte Dienstleister“, so der CEO der Heinlein Group. 

Die Zukunft ist vielfältiger

Werden in Berlin künftig Open Source und digitale Resilienz, also unabhängige und krisenfeste IT-Infrastrukturen, vorherrschen? Immerhin nutzen laut der Umfrage der IHK Berlin bereits etwa drei Viertel der Berliner Unternehmen Open-Source-Software (OSS) im Geschäftsalltag. Allerdings stehen dafür noch Hürden wie fehlende Fachkräfte, knappe Budgets und der Widerstand etablierter Strukturen im Weg. DanLahiri Agboli erwartet für die Zukunft eher „kombinierte Lösungen und bewusste Architekturentscheidungen”. Wer sich für eine Softwarelösung entscheide, solle das mit offenen Augen und einer klaren Strategie tun, rät der IT-Unternehmer. Damit Berlin als Open-Source-Standort gegen das Silicon Valley bestehen kann, braucht es laut Peer Heinlein eine verbindliche, langfristig verlässliche IT-Strategie der öffentlichen Hand: „Dann können sich Unternehmen darauf einstellen – und auch gezielt langfristig investieren.“ Der Markt wird also vielfältiger – und das ist gut so. 

DanLahiri Agboli im Kurzinterview

Serie 7 x 3 = 21 Ultrakurz gefragt: DanLahiri Agboli, CEO der Office Company Gruppe
Dauer: 1 Minute
Hilmar Poganatz