Strafabgabe für alle Berliner Unternehmen droht!

Ab 2027 droht die Ausbildungsplatzabgabe.

Das Gesetz würde jedes Unternehmen zusätzlich belasten ohne die eigentlichen Probleme auf dem Ausbildungsmarkt zu lösen. Statt mehr Ausbildung drohen mehr Bürokratie, Klagen und Unsicherheit.

Neustart-Berlin-Konferenz

Wirtschaftsstandorte: Zieht Berlin bald an München vorbei?

Das Wirtschaftswachstum in Berlin liegt seit Jahren über dem Bundesdurchschnitt. Längst hat sich die Stadt als erfolgreicher Standort für Innovation etabliert und könnte bald schon München in Sachen Leistungsfähigkeit überholen.

Kürzlich in Warschau: Auf das vermeintlich schlechte Ansehen Berlins in Umfragen angesprochen, reagiert Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey ungewöhnlich emotional. Laut ergreift sie Partei für die verkannten Stärken ihrer Stadt: „Unsere Kraft ist die Vielfalt, ist die Freiheit, ist unsere geschichtliche Verantwortung.“ Applaus der mitgereisten Unternehmer. Denn die einzigartige Geschichte der Stadt schlägt sich mittlerweile in einer starken Wirtschaft nieder. 

Giffey weiß: Wirtschaft ist mehr als Psychologie, auch Fakten gehören dazu – und die sprechen für sich: „Die Aufholjagd Berlins ist seit Jahrzehnten ungebrochen“, sagt der Ökonom Claus Pretzell von der Investitionsbank Berlin (IBB). Allein im Jahr 2025 legt das Berliner BIP um ein Prozent zu, das gesamte deutsche BIP dagegen stagniert. Seit 2014 liegt das Wachstum in Berlin Jahr für Jahr 1,7 Prozentpunkte über dem bundesdeutschen Wachstum – im Übrigen auch deutlich über dem von Bayern und seiner Hauptstadt München.

Sicher, die bayerische Hauptstadt kann Wandel, wie es im Jahreswirtschaftsbericht heißt, den das Münchener Wirtschaftsreferat im Frühsommer vorlegte. Doch Berlin hat nach der Wiedervereinigung und trotz der wirtschaftlichen Folgen der Teilung seine Rolle als Hauptstadt mit einem neuen Geschäftsmodell gefunden. „Wir können da sehr selbstbewusst sein“, meint Pretzell.

Oberkörper eines Mannes mit grauen Haaren, Brille, weißem Hemd, blauem Krawattenmuster und dunkelgrauem Sakko vor unscharfem Hintergrund.

Der Ökonom Claus Pretzell von der Investitionsbank Berlin (IBB) beobachtet, wie Berlin seit Jahren kontinuierlich aufholt.

Wenig Industrie ist ein Vorteil

Hinter der Stadt liegt ein massiver Strukturwandel. So ist der Anteil der Industrie an der Wertschöpfung von 17 Prozent in den 1990er-Jahren auf nur noch 6,4 Prozent geschrumpft. „Heute ist die in Berlin verbliebene Industrie hochproduktiv, schafft viele Arbeitsplätze und ist sehr resistent und vor allem extrem exportorientiert. Doch dank der Digitalisierung hat sich der Zusammenhang zwischen Industrie und Dienstleistungen gelöst“, sagt der IBB-Volkswirt. „Kern des Berliner Wachstums sind heute die digitalen Dienstleistungen, die über Berlin hinaus verkauft werden.“

Seit zwei Jahrzehnten ist Berlin unangefochten Gründerhauptstadt in Deutschland. Eine hohe Anzahl an Start-ups, Inkubatoren und Accelerator-Programmen sowie Co-Working-Spaces schafft ein dichtes Ökosystem für Innovationen. Fast ein Drittel aller Gründungen in Deutschland findet in Berlin statt. Im vergangenen Jahr erhielten Unternehmen an der Spree 2,2 Milliarden Euro Risikokapital, was etwa einem Drittel der in ganz Deutschland vergebenen Summe entspricht. 

Vor allem im Bereich Information und Kommunikation (IuK) sind die Berliner stark, aber auch im Fintech-Bereich und im Onlinehandel. „Der Start-up-Sektor ist extrem wichtig für Berlin. Von den heutigen Gründungen sind einige die Konzerne von morgen – gerade dann, wenn wir noch mehr Augenmerk auf die Rahmenbedingungen für Deeptech- und KI-Start-ups richten“, sagt Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der IHK Berlin. „Wir können in der Stadt sehr stolz sein auf diesen Sektor. Er boomt seit mehr als zehn Jahren und hat sich fest etabliert. Wir müssen in Europa keinen Vergleich mit anderen Standorten scheuen.“ 

Mann mit kurzem blondem Haar trägt dunklen Anzug, weißes Hemd und gestreifte Krawatte in Blau und Pink.

Dmitriy Gruzinov von Oxford Economics hat erkannt, dass Berlin die am schnellsten wachsende deutsche Großstadt ist – und München bald wirtschaftlich überholen könnte.

Hochschulen machen Städte attraktiv

Einer der wichtigsten Gründe für die Innovationskraft ist das hohe Bildungsniveau der Menschen in der Stadt. Vier große Universitäten und fast 60 Hochschulen schaffen eine starke Forschungslandschaft. Für die Industrie ist das ein echter Standortvorteil. Zwar haben die großen Konzerne nicht mehr wie in den 1920er-Jahren ihren Hauptsitz an der Spree, dafür aber starke Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in Berlin aufgebaut. Die Stadt ist innovativ, für Fachkräfte attraktiv, und die Lebenshaltungskosten sind niedriger als in anderen europäischen Hauptstädten.

Die gute Qualifizierung der Fachkräfte gilt auch international als Erfolgsfaktor. „Bildung ist wichtig für Wachstum und ein Vorteil für jede Stadt. Berlin hat in Europa den höchsten Anteil an hoch qualifizierten Fachkräften“, sagt Dmitriy Gruzinov von Oxford Economics, einem global tätigen Beratungsinstitut. Jedes Jahr erstellt das Cities-and-Regions-Team den Global Cities Index, mit dem es die Attraktivität von Großstädten vergleicht. In den vergangenen Jahren hat sich Berlin nach vorne gearbeitet und liegt im Vergleich unter 1.000 Städten weltweit nun auf Platz 29 – knapp hinter München. „Noch“, wie Gruzinov betont. Eine niedrige industrielle Basis und ein hoher Dienstleistungsanteil in Bereichen wie IT, Mode und Wissenschaft verleihen der Stadt große Dynamik. „Berlin ist die am schnellsten wachsende deutsche Großstadt mit einem sehr attraktiven Branchenmix“, meint Gruzinov. Dank ihrer „robusten Perspektiven“ könne die Stadt in Sachen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit schon in wenigen Jahren andere regionale Kraftzentren wie München hinter sich lassen.

Wohnungen für eine wachsende Stadt

Auf dem Weg zur Spitze gibt es allerdings auch Hürden. „Die wachsende Stadt Berlin bringt einige Herausforderungen mit sich, denen konsequenter begegnet werden muss“, betont Manja Schreiner von der IHK Berlin. „Vor allem muss der Neubau angekurbelt werden. Wir brauchen dringend und deutlich mehr Wohnungen, dürfen dabei aber auch die Gewerbeflächen nicht aus dem Blick verlieren.“ Nur knapp 10.000 Baugenehmigungen sind 2024 erteilt worden und damit so wenige wie im ganzen letzten Jahrzehnt nicht. Zwar hätten sich Bund und Länder auf Gesetze geeinigt, die den Neubau beschleunigen könnten. „Der Wille allein reicht aber nicht. Bund und Land müssen sich an den Ergebnissen messen lassen. Die Verwaltungsreform und das Schneller-Bauen-Gesetz waren hier bereits gute erste Schritte“, sagt Schreiner.

Der Global Cities Index nennt zudem die demografische Struktur der alternden Staaten Europas als Faktor, der die Anziehungskraft von Städten wie Berlin verringert. Um attraktiv zu bleiben, komme es laut Gruzinov auf mehrere Faktoren an: ausreichend Wohnungen, eine hohe Lebensqualität, eine funktionierende Mobilität und eine gute Umwelt. Gerade der Klimawandel und die damit einhergehenden Extremwetterlagen beeinträchtigen viele Städte. „Klimatische Abweichungen bergen Risiken“, sagt Gruzinov. Sie bieten aber auch Chancen, wenn Energie nachhaltiger erzeugt und die Infrastruktur verbessert wird. Gruzinov: „Berlin hat da wirklich etwas vorzuweisen.“

Stadt im Neustart

Berlin ist stark – und braucht dennoch Mut und Optimismus. Dazu haben „Tagesspiegel“, „Berliner Morgenpost“, EUREF-Campus und radioeins vom rbb die Initiative „Neustart Berlin“ gegründet. Sie präsentierte am 21. November Konzepte für ein funktionierendes und lebenswertes Berlin.

https://neustartberlin.info/