Strafabgabe für alle Berliner Unternehmen droht!

Ab 2027 droht die Ausbildungsplatzabgabe.

Das Gesetz würde jedes Unternehmen zusätzlich belasten ohne die eigentlichen Probleme auf dem Ausbildungsmarkt zu lösen. Statt mehr Ausbildung drohen mehr Bürokratie, Klagen und Unsicherheit.

Bürokratie

Wenn Pflege zur Liquiditätsfalle wird

Pflege-Wohngemeinschaften verbinden professionelle Betreuung mit einem familiären Lebensumfeld. Doch für ambulante Dienste, die dort die Versorgung übernehmen, kann dieses Modell schnell zur finanziellen Belastungsprobe werden.

Person sitzt seitlich auf einem roten Stuhl, trägt graue Hose, weiße Bluse und grünen Pullover, hält Arm auf Stuhllehne.

Anett Hüssen, Geschäftsführerin der Hauskrankenpflege Dietmar Depner GmbH

In Berlin leben inzwischen mehrere Tausend Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngemeinschaften. Viele von ihnen zahlen ihre Pflege und Betreuung ohne zusätzliche Transferleistungen. Doch wenn Bewohner kognitiv eingeschränkt sind und ein gerichtlich bestellter Betreuer einspringt, beginnt häufig ein juristisches und bürokratisches Ringen um jede Rechnung. „Mir wird vermehrt berichtet, dass es bei selbstzahlenden Patienten immer wieder zu unbezahlten Rechnungen in erheblicher Größenordnung kommt“, erzählt Anett Hüssen. „Eine Nachfrage bei den Betreuern hat ergeben, dass dies auf massiv verlängerten Bearbeitungszeiten bei den zuständigen Amtsgerichten beruht“, fügt die Geschäftsführerin der Hauskrankenpflege Dietmar Depner GmbH hinzu. Der Pflegedienst versorgt in 17 Wohngemeinschaften pflegebedürftige und demente ältere Menschen. Anett Hüssen sieht bei diesem Thema zwei gravierende Probleme. „Zum einen scheint es nicht genug qualifiziertes Personal im Amtsgericht zu geben“, so die Geschäftsführerin. „Zum anderen dauert insbesondere die Zustimmung der Gerichte zum Verkauf von Vermögenswerten wie Aktien oder Wohnhäusern zur Begleichung von Rechnungen insgesamt oft viele Monate und damit deutlich zu lange.“

Gesetzliche Grenze längst überholt

Seit Einführung des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes (GVWG) im Jahre 2022 gilt: Betreuer dürfen über Ansprüche bis 3.000 Euro sowie über Guthaben auf dem Girokonto oder sogenanntes Verfügungsgeld ohne Genehmigung verfügen. Übersteigen Pflegekosten diese Grenze, bleibt das Gericht eingebunden. Hüssen fordert, die bestehenden Betragsgrenzen zu überprüfen und an heutige Kostenrealitäten anzupassen. „Mittlerweile liegen die monatlichen Pflegekosten in Berliner Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegegrad vier oder fünf deutlich über 3.000 Euro. Wenn für jede notwendige Zahlung erneut eine Genehmigung beantragt werden muss, bindet das Personal in Ämtern und Diensten gleichermaßen, ohne dass Pflegebedürftige davon profitieren.“

Ein Mann in einem Anzug lächelt in die Kamera.
Schon ein einzelner Ausfall kann die Zahlungsfähigkeit eines Dienstes für Monate gefährden – mit der Folge, dass Versorgung eingeschränkt oder ganz abgebrochen werden muss.“
Oliver Stemmann Vorstandsvorsitzender der Landesgruppe Berlin des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V.

Zahlungsrückstände bedrohen Liquidität

Auch der Verband sieht dringenden Handlungsbedarf. „Zahlungsrückstände führen direkt zu Liquiditätsengpässen, sodass die Dienste Löhne, Mieten, Steuern oder Fahrzeugkosten nicht mehr zuverlässig zahlen können“, gibt Oliver Stemmann zu bedenken, Vorstandsvorsitzender der Landesgruppe Berlin des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa). „Schon ein einzelner Ausfall kann die Zahlungsfähigkeit eines Dienstes für Monate gefährden – mit der Folge, dass Versorgung eingeschränkt oder ganz abgebrochen werden muss.“ Ein weiteres Problem: „Verstirbt der Pflegebedürftige, können offene Zahlungen sogar oft erst nach zwei bis drei Jahren im Zuge der Nachlassverwaltung vereinnahmt werden.“

Justiz sieht kein Problem

Die Berliner Amtsgerichte weisen diese Kritik zurück. „Verlängerte Bearbeitungszeiten von Genehmigungsanträgen können seitens der Amtsgerichte nicht bestätigt werden“, erklärt Paula Riester, Pressesprecherin der Berliner Zivilgerichte. „Genehmigungsanträge werden in aller Regel als Eilt-Sachen bearbeitet, sodass sie auch im Vertretungsfalle nach Dringlichkeit vorgezogen werden.“ Gleichwohl räumt sie ein: „Selbstverständlich wäre eine bessere personelle Ausstattung der Amtsgerichte nicht zuletzt im grundrechtssensiblen Bereich der Betreuung stets wünschenswert.“ Aus Sicht der Amtsgerichte ergeben sich die Bearbeitungszeiten von Genehmigungsanträgen aber aus den allgemeinen Verfahrensabläufen.

Am Ende geht es um die Sicherung von Pflege und die darf nicht an Aktenstapeln scheitern.“
Anett Hüssen Geschäftsführerin der Hauskrankenpflege Dietmar Depner GmbH

Branche fordert Tempo, Digitalisierung und Personal

Die Pflegebranche sieht sich dennoch im Recht. „Kurzfristig braucht es zusätzliche personelle Ressourcen an den Amtsgerichten sowie den konsequenten Einsatz digitaler Verfahren und Anpassung möglicher Beträge in Gesetzen, um Entscheidungen deutlich schneller treffen zu können“, fordert Verbands-Chef Stemmann. „Langfristig bedarf es einer verbindlichen Fristenregelung sowie einer strukturellen Entlastung der Justiz.“ Anett Hüssen ergänzt: „Am Ende geht es um die Sicherung von Pflege, und die darf nicht an Aktenstapeln scheitern.“ Bis dahin bleibt die Realität für viele Dienste riskant: zwischen Mitgefühl und Mahnwesen, zwischen Fürsorge und Forderung.