Touristenattraktion

Berliner Fahrgast-Reedereien: halbwegs auf Kurs

Schiffstouren gehören weiterhin zu den beliebtesten Touristenattraktionen – vor allem an sonnigen Tagen. Die Berliner Fahrgast-Reedereien sind mit diesem Sommer aber nicht ganz zufrieden. Ihre größten Herausforderungen: das wechselhafte Wetter, die Baustellen und der Fachkräftemangel. Sanierungsbedarf besteht bei den Schleusen.

Ein Ausflugsboot mit Passagieren fährt auf einem Fluss vorbei an der Museumsinsel in Berlin. Im Hintergrund ist das Bode-Museum sichtbar.

Per Schiff Berlin erkunden: Für Touristen sind die Bootstouren eine Attraktion

Kommt Besuch aus der alten Heimat oder von neuen Freunden, bucht der Berliner eine Schiffstour. Kein Wunder also, dass die Fahrgastschifffahrt für den Tourismus in der Stadt ähnlich bedeutend ist wie Museen oder das Holocaust-Mahnmal. Nur: Die Neue Nationalgalerie oder das Denkmal für die ermordeten Juden in Europa sind bei jedem Wetter eine Touristenattraktion. Eine Bootsfahrt indes macht bei Regen weniger Freude. Somit dürfte jedem klar sein: Die Berliner Reedereien hatten in diesen Sommer nicht allzu viel zu lachen. „Wir haben zum Stichtag 30. Juni Bilanz gezogen“, sagt Andreas Behrens, Geschäftsführer der Stern und Kreisschiffahrt GmbH Berlin. Das Resultat: „Wir liegen sowohl bei den Gästen als auch bei den Umsätzen unter Durchschnitt.“ Und in den folgenden Monaten – gerade im Juli – ließ das Wetter auch keine Aufholjagd für die Touristenattraktion zu. Demgegenüber war das Vorjahr eines der besten. Andreas Behrens weist darauf hin, dass die Fahrgastschiffe zwar auch trockene Sitzplätze unter Deck anbieten. „Aber die sind natürlich nicht so attraktiv“, sagt er.

Ein Ausflugsboot mit gelbem Dach fährt auf einem Wasserweg zwischen modernen Gebäuden. Auf dem Boot sind Passagiere zu sehen.

Die Spree-Touren führen auch durch das Regierungsviertel

Fahrgastschifffahrt legt leicht zu

Grundsätzlich sind die Berliner Reedereien seit Jahren auf Kurs. Laut einer Studie zu den wirtschaftlichen Effekten im Wassertourismus in Berlin und Brandenburg hat sich der wassertouristische Markt zwischen 2014 und 2024 gut entwickelt, die Fahrgastschifffahrt legte leicht zu. Allerdings teilen sich den Markt immer mehr Anbieter. „Vor allem Anbieter von Charterfahrten mit Sportbooten sind hinzugekommen“, beobachtet Angela Schreier-Buhl, Geschäftsführerin der Reederei Berliner Wassersport und Service GmbH & Co. Betriebs KG (BWSG). „Das ist ein Problem, da die Sportboote geringeren Regularien unterliegen“, sagt sie. 

BWSG hofft auf einen schönen Herbst

Und dann dieses wechselnde Wetter. Laut Schreier-Buhl kann ein guter Herbst die durchwachsenen Monate Mai bis Juli aber noch ausgleichen. Erst nach den Herbstferien Anfang November ist die Saison, die je nach Anbieter im März oder April startet, vorbei. Erst dann wird endgültig abgerechnet. Und immerhin konnten die Reedereien von einem überdurchschnittlich guten April profitieren.

Notwendige Baumaßnahmen sollten so stattfinden, dass wir trotzdem unser Geschäft ausüben können.“
Andreas Behrens Geschäftsführer der Stern und Kreisschiffahrt GmbH

Baustellen behindern die Fahrgast-Reedereien

Das Wetter ist nur eine von mehreren Herausforderungen für die Fahrgast-Reedereien. Eine weitere sind die Baustellen. Stern-und-Kreis-Chef Behrens wird jetzt schon bang, wenn er an das nächste Jahr denkt: Dann wird das Marx-Engels-Forum umgebaut, die nahe gelegene Anlegestelle im Nikolaiviertel gesperrt. Dabei ist die dort beginnende einstündige Citytour, vorbei an touristischen Höhepunkten wie Stadtschloss, Museumsinsel und Regierungsviertel, eine der meistgebuchten Routen bei Stern und Kreis. „Wir müssen die Gästeströme dann zum Anleger an der Alten Börse umleiten“, sagt Andreas Behrens. Sein Appell angesichts der Beeinträchtigung: „Notwendige Baumaßnahmen sollten so stattfinden, dass wir trotzdem unser Geschäft ausüben können.“ 

Sanierungsbedarf bei den Schleusen

Eine gute Infrastruktur auf dem Wasser muss gewährleistet sein, bekräftigt Simone Blömer, zuständig für Tourismus bei der IHK Berlin. „Baustellen sollten die Fahrgastschifffahrt nicht lahmlegen“, sagt sie. Außerdem sollten die Schleusen in Schuss gehalten werden. Laut der erwähnten Wassertourismusstudie, die unter anderem von den IHKs Berlin und Brandenburg durchgeführt wurde, besteht bei den Schleusen ein dringender Sanierungsbedarf.

Blick auf einen Kanal mit einem kleinen Gebäude am Ufer, umgeben von Bäumen. Im Hintergrund sind moderne und historische Gebäude sichtbar.

Die Berliner Schleusen müssen saniert werden

Reedereien bekommen den Fachkräftemangel zu spüren

Die wohl größte Herausforderung der Branche aber dürfte der Fachkräftemangel sein, sagt Ingo Gersbeck, Geschäftsführer des Reederverbands der Berliner Personenschiffahrt e.V. „Ich besitze auch ein Fahrgastschiff, konnte es aber nach der Corona-Zwangspause nicht mehr mit Personal besetzen, da die Mitarbeiter sich zwischenzeitlich anders orientiert haben. Daher liegt es jetzt still.“ Und das ist kein Einzelfall. Laut Gersbeck können auch andere Reedereien Fahrgastschiffe personell nicht besetzen und in Fahrt gehen lassen – oder zumindest seltener als gewünscht. Das Charterschiff MS Babelsberg der Reederei BWSG etwa war laut der Chefin früher 150-mal pro Jahr im Einsatz, aktuell nur noch zehnmal. „Der Grund ist die erhöhte Vor- und Nachbearbeitung im Chartergeschäft und der damit sehr hohe Personalbedarf“, sagt sie. Die BWSG, die bei ihrer Gründung im Jahr 1998 nur auf Charterfahrten setzte, ist nun fast nur noch auf Linie unterwegs. 

Stern und Kreis setzt auf abendliche Eventfahrten

Damit die fahrbereiten Schiffe gut ausgelastet sind, um also möglichst viele Gäste anzuziehen, lassen sich die Fahrgast-Reedereien so einiges einfallen. Die Reederei Becker bietet zweieinhalbstündige „Dinner Cruises“ mit Mehrgangmenüs, Stern und Kreis abendliche „Eventfahrten“ wie zum Beispiel die „Sommernachtsparty mit Songs von Abba“, die Reederei Lüdicke auch Mottofahrten am Morgen wie etwa das Pfingstfrühstück. Der Vorteil, so Andreas Behrens: „Diese Fahrten sind berechenbar, schon fürs nächste Jahr sind Fahrten gebucht.“

Touristenattraktion soll nachhaltiger werden

Außerdem setzen innerstädtische Reedereien vermehrt auf Nachhaltigkeit, indem sie ihre Fahrgastschiffe auf elektrische Antriebe umrüsten oder den umweltfreundlichen synthetischen Dieselkraftstoff GTL (Gas-to-Liquids) tanken. „Dieser rußt und riecht auch nicht“, sagt Gersbeck, der mit Schiffsservice Berlin eine Schiffstankstelle in Spandau betreibt. Das freut nicht nur die Passagiere, sondern auch die Anwohner. 

Blick auf eine Brücke mit zwei Statuen und Fahnen, im Vordergrund ein Boot mit grüner Kabine, im Hintergrund moderne Gebäude.

Aufstehen verboten: Die Brücken sind oft so tief, dass die Fahrgäste bei der Durchfahrt sitzen bleiben müssen