Lebensmittelindustrie

Glücksfall in Neukölln: Neuer Standort dank Unternehmensnetzwerk

Netzwerken lohnt sich. Moll-Marzipan-Geschäftsführer Dr. Armin Seitz hat dafür nun noch einmal eine unumstößliche Bestätigung bekommen. Über das Unternehmensnetzwerk in seinem Bezirk hat er ein neues Grundstück für die Modernisierung seiner Produktion gefunden. Wäre dies nicht gelungen, hätte das Unternehmen wohl ins Umland ziehen und einige Nachteile in Kauf nehmen müssen.

Mann in dunkelgrauem Anzug und weißem Hemd steht vor rotem Hintergrund, Hände vor dem Körper verschränkt

Moll-Marzipan-Geschäftsführer Armin Seitz ist froh, mit seinem Unternehmen in Neukölln bleiben zu können

Rund 48 Jahre ist es her: Der letzte Umzug führte die Moll Marzipan GmbH von Reinickendorf in die Neuköllner Ballinstraße. Die neue Produktionsfläche erschien dem damaligen Management riesengroß, gerade mal ein Drittel wurde für die Marzipan-Fertigung benötigt. Mittlerweile sieht das ganz anders aus. Der heutige Geschäftsführer Armin Seitz hat von seinen Mitarbeitern Bühnen bauen lassen, auf denen einzelne Maschinen auf eine zusätzliche Ebene gestellt wurden, weil der Platz nicht mehr ausreicht. 

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Umzug zur Modernisierung der Produktion

Noch gravierender ist aus Sicht des Firmenchefs aber, dass die dringend nötige Modernisierung der Fertigung am aktuellen Standort unmöglich ist. In der Lebensmittelindustrie, mit den strengen Hygiene-Auflagen, sind Baumaßnahmen am Standort bei laufender Produktion quasi unmöglich. So war der Moll-Geschäftsführung schon länger klar, dass an einem Umzug kein Weg vorbeiführen würde. „Wir könnten hier nur noch wenige Jahre durchhalten“, erklärt Seitz. Denn die Konstruktion der Produktionsstrecke ist veraltet und verursacht unnötige Kosten. Heute ordnen Industriebetriebe Fertigungsstrecken, wie Moll sie benötigt, vertikal an. Das Material und Zwischenprodukte fallen so mithilfe der Schwerkraft – also kostenlos – in die nächste Produktionsstufe. Doch in der Ballinstraße fehlt dafür die Höhe, und so müssen Energie oder menschliche Arbeitskraft aufgewendet werden, um die Transportleistungen in den Produktionsprozessen zu bewältigen. Auch fällt bei der Förderung von Mandeln mittels Druckluft viel Ausschuss in Form von Grieß an.

Mitarbeiter in weißem Kittel und Haarnetz überprüft Lebensmittel auf Förderband in Fabrikhalle

Sorgfalt in der Herstellung und jetzt auch mehr Platz: Armin Seitz hat die Produktion im Blick

Verfügbare Flächen für das Gewerbe sind in Neukölln rar

Also musste Seitz nach einem neuen Grundstück Ausschau halten. Rund drei Jahre suchte er mit dem Ziel, die Heimat des Unternehmens in Neukölln zu belassen oder zumindest nicht allzu weit wegziehen zu müssen. Doch das erwies sich als eher aussichtslos. „Das Angebot an Gewerbeflächen ist hier praktisch null. Wir waren schon fast so weit, uns damit abzufinden, dass wir in den südlichen Berliner Ring ziehen müssen“, sagt Seitz. „Da sind die Grundstücke zwar günstig, aber wir hätten wahrscheinlich mehr als die Hälfte unserer Mitarbeiter verloren.“ Darüber hinaus haben Randflächen oft noch andere Nachteile, etwa weil sie nicht über die für Industriebetriebe nötige Energieinfrastruktur verfügen und erst aufwendig erschlossen werden müssen. 

Das Angebot an Gewerbeflächen ist hier praktisch null. Wir waren schon fast so weit, uns damit abzufinden, dass wir in den südlichen Berliner Ring ziehen müssen.“
Armin Seitz Geschäftsführer

Armin Seitz profitiert vom Netzwerk

Doch letztlich ging es gut für Moll aus und Armin Seitz stellte erneut fest: „Netzwerken lohnt sich. Über das Unternehmensnetzwerk Neukölln e.V. haben wir den entscheidenden Tipp für ein neues Grundstück bekommen.“ Denn der Moll-Chef hatte über das Netzwerk intensive Kontakte zur Wirtschaftsförderung des Bezirks Neukölln. So erfuhr er, dass ein Wellpappen-Produzent sein Werk in der Neuköllnischen Allee aufgeben wollte. Dort hat Moll nun eine Fabrik gekauft, die dreimal so viel Fläche hat, wie das aktuelle Werk. So kann die Produktion modernisiert und das outgesourcte Lager zurück zum Stammsitz geholt werden. „Dass wir davon erfahren haben, war ein ganz, ganz großer Glücksfall für uns“, sagt Seitz. 

Investitionen
30
Mio. Euro
investiert Moll Marzipan bis 2028 in den Umzug und die Modernisierung der Produktion.
Fläche
12.000
Quadratmeter
Hallen- und Bürofläche stehen Moll Marzipan am neuen Standort in Neukölln zur Verfügung.

Moll Marzipan investiert rund 30 Mio. Euro

Statt bisher 7.000 Quadratmeter Grundfläche und 4.000 Quadratmeter Hallen- und Bürofläche hat der Marzipanhersteller, die nur im B2B-Geschäft tätig ist, in Zukunft 25.000 Quadratmeter Grundfläche und 12.000 Quadratmeter Hallen- und Bürofläche. Mit dem Umbau wurde bereits begonnen. Im Juli 2026 soll die Produktion am neuen Standort wieder hochgefahren werden. Bis 2028 wird Moll Marzipan insgesamt rund 30 Mio. Euro in den Umzug und die Modernisierung des Werks investiert haben. Einer der Vorteile wird darin bestehen, dass die Kapazität der Produktion 50 Prozent höher ist. Teure Samstag- und Sonntagschichten werden dann entfallen. Die Energiekosten sinken durch die neue Produktionsarchitektur erheblich. Moll möchte die Verkaufsmenge kontinuierlich pro Jahr um fünf bis sieben Prozent steigern.

Mandeln auf einem blauen Förderband in einer Produktionsanlage

In der neuen Fabrik werden die Mandeln noch effizienter zu Marzipan verarbeitet werden

Nach dem Umzug wird Moll selbst eine für Industriebetriebe attraktive Immobilie zu verkaufen haben. Stehen die Interessenten dafür bereits Schlange? Seitz schüttelt den Kopf. „Im Augenblick halten sich die meisten Firmen mit Investitionen zurück. Wir haben in Wahrheit eine Wirtschaftskrise. Die kommt im Bewusstsein der Bevölkerung aber nicht an, weil wir aufgrund der demografischen Entwicklung keine Arbeitslosigkeit haben.“ Bei Moll ist daher auch das Thema Fachkräftemangel fast vollständig zurückgedrängt worden. Auch IT-Fachleute findet Seitz derzeit ohne Probleme. Nur Industrieelektriker sucht er weiter händeringend. 

Sorge vor Reaktionen auf US-Zölle

Die Kosteneinsparungen durch die Modernisierung der Produktion kann Moll Marzipan gut gebrauchen. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Mandelpreise verdoppelt und nun geht die Sorge um, dass die EU als Reaktion auf die US-Zölle eine Abgabe von 20 Prozent unter anderem auf Mandel-Importe einführt. Seitz fürchtet, dass dann eine Preisschwelle überschritten würde, über die viele Endverbraucher nicht mehr gehen könnten. 

Mit den Investitionen ins neue Werk stellt die aktuelle Geschäftsführung die Weichen für die nächsten 30 Jahre. Den Nachfolgern sollen so zukunftsfähige Strukturen hinterlassen werden. Denn in den kommenden sieben Jahren werden sich die drei amtierenden Chefs des Marzipanherstellers nach und nach zurückziehen. Dafür werden drei jüngere Mitarbeitende bereits mit Stellvertreter-Positionen auf die Geschäftsführungsaufgaben herangeführt. 

Zum Unternehmen

Die Geschichte von Moll Marzipan begann 1860, als sich der Konditormeister Rudolf Moll selbstständig machte. Im Jahr 1875 wurde in der Schwedter Straße die Fabrik Weiß & Moll gegründet. Seit 2001 firmiert das Unternehmen als Moll Marzipan GmbH. Es wurde 2008 von Armin Seitz und Ken Turnbull in Kooperation mit einer englischen Familien-Investmentgesellschaft übernommen. Als Partner der Markenartikel-Industrie und des Großhandels liefert Moll insbesondere Marzipan- und Persipan-Rohmasse.