Hohe Unternehmensbewertungen

Einhorn-Saison in Berlin: Milliarden-Startup gesucht

Mehr als die Hälfte aller deutschen Unicorns haben ihren Sitz in Berlin. Der KI-Boom befeuert die Startup-Szene der Hauptstadt zusätzlich. Drei Einhorn-Aspiranten stehen besonders im Fokus der Investoren.

Zwei Männer sitzen nebeneinander in einem modernen Büro mit dem Schriftzug 'parloa' an der Wand im Hintergrund

Stefan Ostwald und Malte Kosub haben das neueste Berliner Unicorn Parloa gegründet.

Kein deutscher Standort bringt mehr Milliarden-Startups hervor als Berlin: 15 der 27 deutschen Unicorns haben ihren Sitz in der Hauptstadt. Das jüngste istParloa, ein KI-Sprachtechnologieanbieter, der im Mai 2025 eine Series-C-Finanzierung über 120 Millionen US-Dollar abgeschlossen hat. Das Unternehmen aus der Schönhauser Allee in Mitte automatisiert mithilfe einer KI-gestützten Voicebot-Plattform Kundengespräche in Echtzeit – branchenübergreifend von Versicherungen bis zum E-Commerce. Die Technologie versteht natürliche Sprache, erkennt Kontext und Emotionen. Parloa steht exemplarisch für die Dynamik, mit der Künstliche Intelligenz die Berliner Gründerszene verändert. 

Ich glaube, momentan brauchen wir alle vielleicht mal einen guten Tritt in den Hintern.“
Philipp Möhring Investor des Jahres 2025

Die Berliner Unicorns sind in ganz unterschiedlichen Branchen aktiv – von FinTech-Giganten wieN26 (Bewertung: 9 Mrd. USD) und Trade Republic (5,5 Mrd. USD) über E-Commerce und Mobilitätslösungen bis hin zu spezialisierten Anwendungen in MedTech und FoodTech. Neben den etablierten Unicorns kämpfen die sogenannten “Soonicorns" – Unternehmen kurz vor dem Milliarden-Dollar-Sprung – um einen Platz in der Einhorn-Herde. Wir verraten, welche Berliner Startups als nächstes in den exklusiven Club aufsteigen könnten.

INFOKASTEN: Was sind Unicorns?

Definition: Laut Bitkom sind Unicorns nicht-börsennotierte Unternehmen mit einer Bewertung von über einer Milliarde US-Dollar, meist im Technologiebereich tätig.

Name: Der Begriff „Unicorn" verweist auf die Seltenheit und ihren besonderen Status in der Unternehmenswelt.

Weltweit: 1.200 bis 1.500 Unicorns (Zahlen variieren je nach Quelle: CB Insights, PitchBook, Dealroom, Crunchbase)

Deutschland: 27 Unicorns, davon 15 in Berlin (56%)

KI made in Berlin: K.I.E.Z. als Kraftzentrum

Der Aufstieg der Hauptstadt zum KI-Hotspot ist eng mit gezielten Förderinitiativen verbunden. Im Zentrum steht das Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrum (K.I.E.Z.), eines von bundesweit vier Modellvorhaben, gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium und dem Land Berlin. „Allein an den Berliner Universitäten gibt es mehr als 20.000 Forschende – ein riesiges Potenzial für eine Querschnittstechnologie wie KI", erklärt K.I.E.Z.-Leiterin Laura Möller. Die enge Anbindung an Hochschulen und die Charité schafft optimale Bedingungen für wissenschaftsnahe Startups.

Frau steht mit einer Hand in der Hüfte vor Wand mit beleuchtetem Schriftzug 'K.I.E.Z. by Science & Startups', trägt bunte Jacke und weiße T-Shirt

Laura Möller leitet das Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrum.

Wie erfolgreiche KI-Innovation in der Praxis aussieht, zeigt auch Choco. Das FoodTech-Unternehmen gehört seit 2022 zum Kreis der Berliner Unicorns und optimiert mit KI-gestützten Bestelllösungen den Lebensmittelhandel. Gründer Daniel Khachab, 2025 von den German Startup Awards als „Gründer des Jahres" ausgezeichnet, beschreibt die Funktion „Autopilot" als Durchbruch für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Lebensmittellogistik. Das KI-gestützte Software-Tool analysiert eingehende Bestellungen in Echtzeit und entscheidet völlig eigenständig, ob sie sofort bearbeitet oder zur manuellen Überprüfung markiert werden. Choco hat es schon geschafft – wer schafft nun als nächstes den Sprung auf die Lichtung mit den Einhörnern?

Drei Personen in formeller Kleidung auf Bühne, eine hält Trophäe hoch, rotes Schild mit weißem Text im Hintergrund

„Gründer des Jahres" bei den German Startup Awards 2025: Daniel Khachab von Choco mit Superinvestor Philipp Möhring und Ariane Hingst, der Gründerin von FC Viktoria Berlin.

Amboss, Claro und Vivid sind Unicorn-Kandidaten

Amboss SE digitalisiert aus der Torstraße in Mitte heraus die medizinische Aus- und Weiterbildung. Mit einer Finanzierung über 240 Millionen Euro und der strategischen Umwandlung in eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) im Dezember 2024 positioniert sich das MedTech-Startup klar auf internationales Wachstum. Investorenportale wie Inventure Capital zählen Amboss zu den „vielversprechendsten europäischen Soonicorns 2025".

Auch Claro, erst 2024 gegründet, ist laut der Startup-Rankingplattform Growthmentor ein heißer Kandidat. Claro nutzt maßgeschneiderte Sprachmodelle, um unstrukturierte Daten in handlungsrelevante Erkenntnisse zu verwandeln – und das ohne aufwändige Anpassung oder langwierige Integration. Die Lösung ermöglicht Unternehmen eine effiziente Datennutzung „out of the box".

Im FinTech-Bereich zeigt Vivid dynamisches Wachstum: In nur 16 Monaten gewann das Banking-Startup für kleine und mittlere Unternehmen 50.000 Geschäftskunden, monatlich kommen bis zu 4.500 hinzu. Das Handelsblatt und das Tech-Medium Sifted berichten von einer Bewertung von rund 853 Millionen US-Dollar. Mit Expansionsplänen für Italien und Spanien will Vivid bis Ende Q3 2025 die Marke von 75.000 Geschäftskunden erreichen.

Gezielte Förderung stärkt das Ökosystem

Dass Start-ups in Berlin Milliardenbewertungen erreichen können, liegt auch an der gezielten Förderung der Stadt:Berlin investiert gezielt in den Ausbau seiner Startup-Infrastruktur. Das House of Finance & Tech (HoFT) unterstützt mit seiner neuen Scale-up Academy wachstumsstarke Unternehmen – von regulatorischer Expertise bis zum Zugang zu Kapital. Darüber hinaus verfolgt die UNITE-Initiative das Ziel, Europas größtes Gründungszentrum für wissenschaftsbasierte Startups zu schaffen. Teil der Initiative ist ein neuer, zehn Millionen Euro schwerer, EU-finanzierter Pre-Seed-Fonds, der bis zu 50 Unternehmen mit Wandeldarlehen zwischen 100.000 und 300.000 Euro fördern soll.

Die IHK Berlin versteht sich dabei als unabhängiges Netzwerk der Berliner Wirtschaft, das Startups verlässlich durch das komplexe Geflecht aus Informationen, Anforderungen und Fördermöglichkeiten navigiert. Als Interessenvertretung unterstützt sie Gründungsvorhaben, Finanzierungsfragen und Vernetzung, organisiert praxisnahe Veranstaltungsformate wie „Industrie trifft Startups" und fördert den Transfer von Forschung in die unternehmerische Praxis. IHK-Vizepräsidentin Sonja Jost kommentiert: “In Deutschland und Europa brauchen wir bessere Rahmenbedingungen für Wachstumskapital, wenn wir mehr Unicorns hervorbringen wollen. Dazu gehören auch steuerliche Anreize für Frühphaseninvestoren. Denn Unicorns entstehen nur, wenn Business Angels in der Lage sind, frühzeitig erfolgversprechende Unternehmensideen zu scouten, zu finanzieren und zu entwickeln. Zudem gilt es, privates Kapital stärker als bisher zu mobilisieren: Versicherungen und Pensionsfonds sind bislang durch fragmentierte und restriktive Regulierungen daran gehindert, effektiv in Venture Capital zu investieren. Diese Hürden müssen abgebaut werden. Ein starker Kapitalmarkt würde Start-ups den Zugang zu Kapital erleichtern und ihnen ermöglichen, in Europa zu skalieren und zu bleiben.”

Mann mit kurzem dunklem Haar, trägt ein weißes T-Shirt, vor weißem Hintergrund

Investor des Jahres 2025: Philipp Möhring unterstützt von Berlin aus innovativen Startups, zu wachsen.

Auch private Investorinnen und Investoren prägen das Berliner Ökosystem entscheidend mit. Philipp Möhring (Tiny VC), als „Investor des Jahres 2025" ausgezeichnet, zählt zu den aktivsten Frühphasen-Investoren Europas und unterstützt seit über 15 Jahren von Berlin aus innovative Startups beim Wachstum. Möhring vermisste zuletzt die Energie, die noch vor Corona die Berliner Startup-Szene beflügelte. „Ich glaube, momentan brauchen wir alle vielleicht mal einen guten Tritt in den Hintern”, sagte er in einem Podcast-Interview.

Studie fordert Bürokratieabbau

Der Bitkom-Unicorn-Report 2025 zeigt tatsächlich Handlungsbedarf: So fordern 76 Prozent der Unicorn-Gründerinnen und -Gründer einen deutlichen Abbau bürokratischer Hürden. „Zeitaufwendige Verwaltungsprozesse binden wertvolle Ressourcen", betont Daniel Breitinger, Leiter Startups & Scaleups beim Digitalverband Bitkom. Weitere Herausforderungen bleiben der Fachkräftemangel und der erschwerte Zugang zu Wachstumskapital in späteren Finanzierungsphasen.

„Für internationale Wettbewerbsfähigkeit brauchen wir einfachere Rahmenbedingungen und eine konsequente Fachkräftesicherung", fordert die IHK Berlin. Gleichwohl zeigt sich: Mit etablierten Unicorns, vielversprechenden Scale-ups und gezielter Förderung festigt Berlin seine Position als führende Startup-Metropole Europas.

Ob Amboss SE, Vivid oder Claro: Alle drei bieten beste Voraussetzungen, das nächste Einhorn zu werden. Als führender Standort für technologiegetriebene Spitzenunternehmen bleibt Berlin damit auf Kurs.

ÜBERSICHT: Berliner Unicorns (Stand: Juni 2025)

 

Unternehmen 

Branche

Gründung 

Bewertung (Mrd. USD) 

Trade Republic 

FinTech 

2015 

5,5 

N26 

FinTech 

2013 

3,5 

Contentful 

Marketing 

2013 

3,0 

Enpal 

Energy 

2017 

2,5 

Forto 

Logistics 

2016 

2,1 

Sennder 

Logistics 

2015 

2,1 

GetYourGuide 

Travel 

2009 

2,0 

Razor Group 

E-Commerce 

2020 

1,7 

Choco 

FoodTech 

2018 

1,2 

Berlin Brands Group 

E-Commerce 

2005 

>1,0 

Raisin 

FinTech 

2012 

1,1 

Parloa 

KI/Software 

2017 

>1,0 

Omio 

Mobility 

2013 

1,0 

OneFootball 

Sports 

2008 

1,0 

Taxfix 

FinTech 

2016 

1,0