Strafabgabe für alle Berliner Unternehmen droht!

Ab 2027 droht die Ausbildungsplatzabgabe.

Das Gesetz würde jedes Unternehmen zusätzlich belasten ohne die eigentlichen Probleme auf dem Ausbildungsmarkt zu lösen. Statt mehr Ausbildung drohen mehr Bürokratie, Klagen und Unsicherheit.

Mosaik

Inklusion am Arbeitsmarkt: “Wir brauchen die Wirtschaft, und die Wirtschaft braucht uns”

Frank Jeromin ist Geschäftsführer der Mosaik-Services gGmbH. Im Interview spricht er über die 60-jährige Geschichte des Mosaik e.V., Inklusion am Arbeitsmarkt und die Zusammenarbeit mit Berliner Unternehmen.

Mann in dunklem Anzug mit weißem Hemd und Krawatte steht mit verschränkten Armen auf einem Balkon vor Bäumen und Hochhäusern.

Frank Jeromin, Geschäftsführer von MosaikUnternehmensverbund Berlin

Herr Jeromin, Sie sind seit fast 40 Jahren bei Mosaik tätig, seit 1989 in der Geschäftsführung. Beim Blick zurück: Welche Meilensteine in Sachen Inklusion verbinden Sie mit Ihrem Wirken?

Gegründet wurde ‘Das Mosaik e.V.’ ja bereits im September 1965, um Betreuungsangebote für Menschen mit Behinderung zu schaffen. Mit der offiziellen Anerkennung als ‘Werkstatt für Behinderte’ ging es dann ab 1980 richtig los. Das war allerdings vor meiner Zeit. Dafür durfte ich in den 1990ern einige Highlights mitgestalten: Ein maßgebliches Projekt war sicherlich das Restaurant Charlottchen, das ich damals mitaufgebaut habe. Es war einer der ersten Inklusionsbetriebe Berlins und geradezu revolutionär.

Was war daran so besonders?

In Berlin gab es Anfang der 1980er Jahre die ersten Inklusionsfirmen. In diesen konnten Menschen mit psychischen Einschränkungen in regulären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Ein Ansatz, der als Pionierarbeit für die Integration und Teilhabe galt. Bei Mosaik konzentrierten wir uns auf Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, etwa mit Trisomie 21. Die ersten drei Beschäftigten kamen aus einer Werkstatt für behinderte Menschen. Im Berliner Senat war man zunächst skeptisch. Die damalige Haltung war: ‘Lasst die doch in der Werkstatt.‘ Aber wir waren von Anfang an überzeugt, dass es funktioniert.

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Drei Personen mit türkisfarbenen Schürzen stehen um einen Tisch, eine Person rührt in einem Behälter mit Mehl, auf dem Tisch stehen weitere Schüsseln.
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Person mit rosa Hemd und blauer Schürze bemalt eine weiße, mehrköpfige Drachenfigur aus Ton in einem hellen, mit Kunstwerken dekorierten Atelier.
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Ist Inklusion in der Arbeitswelt inzwischen selbstverständlich?

In den vergangenen Jahrzehnten haben wir zwar einige Hürden abgeräumt, aber es muss noch viel passieren – ein paar Jahre bleiben mir ja noch (lacht). Für mich ist die gute Nachricht und ein wichtiger Meilenstein, dass Inklusionsbetriebe heute selbstverständlich sind. Natürlich kämpfen auch wir mit Personalmangel und manchmal dauern Genehmigungen zu lange. Aber wir arbeiten inzwischen gut mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales, dem LaGeSo, zusammen, das unter anderem die finanzielle Förderung inklusive Beschäftigung durch die Ausgleichsabgabe sichert. 

Wie eng ist der Austausch mit anderen Berliner Inklusionsbetrieben?

Wir treffen uns regelmäßig, unter anderem in der Landesarbeitsgemeinschaft der Integrations- und Inklusionsfirmen, um über eine bessere Förderung oder bessere Rahmenbedingungen zu sprechen. Derzeit liegt der Lohnkostenzuschuss bei 30 bis 35 Prozent. Wir setzen uns beim LaGeSo dafür ein, ihn gerade für ältere Menschen mit Behinderung – aufgrund nachlassender Leistungsfähigkeit – auf 50 Prozent anzuheben. Damit können Arbeitgeber bis zu 75 Prozent des Bruttolohns gefördert bekommen. Der Zuschuss sinkt dann über die Jahre auf 60 Prozent. Denn Inklusionsbetriebe müssen den Rest wie jedes andere Unternehmen am Markt erwirtschaften.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Berliner Unternehmen? Gibt es da auch im Jahr 2025 Vorbehalte und Informationsdefizite?

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Die Entwicklung ist positiv. Es gibt viele Unternehmen in Berlin, die offen dafür sind, Menschen mit Behinderung einstellen. Beispiele sind Mister Spex oder Knalle Popcorn, die zwei ehemalige Mosaik-Mitarbeiter beschäftigen. Über unsere Jobcoaches halten wir engen Kontakt zu den Betrieben. Trotzdem fürchten viele Arbeitgeber, dass sie jemanden mit Behinderung nicht mehr kündigen können. Das stimmt jedoch nicht. Eine Kündigung bedarf zwar der Zustimmung des LaGeSo. Aus wirtschaftlichen Gründen – etwa bei Auftragsmangel – wird sie jedoch genehmigt. Zudem gibt es das Instrument ‘Budget für Arbeit‘. Damit können Arbeitgeber bis zu 80 Prozent des Bruttolohns gefördert bekommen. Der Zuschuss sinkt dann über die Jahre auf 50 Prozent. Sollte jemand auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht dauerhaft bestehen können, ist eine Rückkehr in die Werkstatt jederzeit möglich. Das mindert das Risiko für Unternehmen erheblich.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen und Chancen?

Wir starten immer mit Praktika, um herauszufinden, ob es passt. Nicht jeder fühlt sich in der Gastronomie wohl, dann probieren wir es eben mit einer Tätigkeit im Büro, in der Reinigung oder in einem Malerbetrieb. Entscheidend ist, dass die Arbeit Freude macht. Wenn es klappt, halten solche Arbeitsverhältnisse meist lange.

Das klingt nach echter Partnerschaft.

Absolut. Wir brauchen die Wirtschaft, und die Wirtschaft braucht uns.

Und was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Weniger Bürokratie. Die Verfahren dauern oft zu lange, und viele Nachweise sind überflüssig. Gerade bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen bleibt die Situation lebenslang stabil. Da muss man nicht ständig alles wieder neu prüfen. Das würde auch die Verwaltung entlasten und Kosten sparen.