Kurzinterview mit Andreas Herrmann

Berlin Art Week: „Digitale Kunst sucht oft die Präsentation im physischen Raum!“

Die Berlin Art Week zeigt jedes Jahr, wie vielfältig und lebendig die Kunstszene der Hauptstadt ist. Seit der Pandemie begleitet sie die Frage, wie viel Kunst sich ins Digitale verlagern lässt. Online-Showrooms, virtuelle Rundgänge, NFTs – vieles wurde ausprobiert, aber was hat sich bewährt? Über Chancen und Grenzen der Digitalisierung und die Zukunft des Kunststandorts Berlin haben wir mit Andreas Herrmann, 2. Vorsitzender im Vorstand des Landesverbands Berliner Galerien (lvbg), gesprochen.

Mann mit kurzem Bart, trägt einen dunkelblauen Anzug und ein hellblaues Hemd, steht aufrecht vor einem hellen Hintergrund.

Andreas Herrmann, 2. Vorsitzender im Vorstand des Landesverbands Berliner Galerien (lvbg)

Wie hat die Pandemie Ihrer Meinung nach die Galerienlandschaft und die Arbeit Ihres Verbands verändert? 

Wie viele andere Branchen standen auch wir vor großen Herausforderungen: Wie bleiben wir mit unseren Kunden in Kontakt? Wie bringen wir unsere Künstler und ihre Werke trotz Einschränkungen an die Öffentlichkeit – und wie sichern wir Umsätze? 

Der Fokus lag, vor allem wegen der schnellen Umsetzbarkeit, auf der Digitalisierung: Viele Webseiten wurden überarbeitet und erweitert, es gab Online-Showrooms, Video- und Audio-Rundgänge oder Live-Künstlergespräche auf Instagram. Die Möglichkeiten waren allerdings begrenzt. 

Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Zeit: Kunst lässt sich nicht vollständig ins Digitale übertragen. Struktur, Oberfläche, Farbnuancen, Größenverhältnisse – all das geht online verloren. Analoge Werke muss man im Original sehen, um sie wirklich zu erfahren. 

Für uns als Verband war klar: Die „alte“ Welt der Galerien, Ausstellungen und Messen bleibt unverzichtbar. Dies haben wir im Austausch untereinander, aber auch gegenüber der Politik deutlich gemacht.  

Welche Rolle spielen digitale Formate (Online-Showrooms, virtuelle Rundgänge, NFTs) aktuell bei Ihnen? 

Die digitale Darstellung analoger Kunstwerke gelingt bislang selbst mit bester Technik nicht überzeugend. Oberflächen, Strukturen und Farben lassen sich noch nicht naturgetreu abbilden. Deshalb sind Online-Showrooms oder virtuelle Rundgänge im Verband derzeit kein Schwerpunkt. 

NFTs sind ein Sonderthema: Hier entwickelt sich international ein Markt, aber er ist klein, volatil und in vielen Punkten – etwa der Preisbildung – noch ungeklärt.  

Ein zukunftsträchtiges Feld sehen wir in der Künstlichen Intelligenz. KI wird den Kunstmarkt beeinflussen, und wir wollen als Verband gemeinsam mit der Politik Impulse setzen. So veranstaltet der lvbg im Januar 2026 mit Unterstützung der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe die erste Berliner Konferenz zu „KI und Kunstmarkt“. 

Detailansicht einer Kunstinstallation mit mehreren Stäben, die mit verschiedenen Materialien wie bunten Fäden, Federn und Seilen verziert sind. Im Hintergrund sind rote Wände sichtbar.

At Night the Sun also Rises, Sofía Reyes

Sehen Sie konkrete Förderbedarfe oder strukturelle Defizite bei Galerien, die sich digital besser aufstellen möchten? Was wäre Ihr Appell an die Berliner Politik und Wirtschaft? 

Die meisten Galerien nutzen digitale Tools längst umfassend: E-Mail, Verwaltungsprogramme, Webseiten, Social Media – all das ist Standard. 

Förderbedarf besteht vielmehr dort, wo Galerien weltweit sichtbar werden wollen: bei Messebeteiligungen, Kooperationsprojekten oder internationalen Aktivitäten. Diese Präsenz ist entscheidend, kostet aber enorme Summen – für Transport, Standmieten, Versicherungen oder Werbung. 

Hinzu kommt die schwierige Raumsituation in Berlin: Steigende Mieten belasten viele Galerien, insbesondere jene mit jungen, ambitionierten Programmen. Gerade diese Vielfalt macht den Kunststandort Berlin attraktiv und zieht Sammlerinnen und Sammler zu Veranstaltungen wie dem Gallery Weekend oder der Berlin Art Week. 

Fast 70 % der Berlin-Besucher nennen Kunst und Kultur als Grund ihrer Reise – ein klarer Beleg für die Bedeutung der Kreativwirtschaft für den Standort. Diese Botschaft muss immer wieder an die Politik vermittelt werden.  

Welche Perspektive sehen Sie für die Berliner Kunstszene in den kommenden Jahren: stärker digital, hybrid oder bleibt die analoge Galerie das Zentrum? 

Die analoge Galerie wird immer eine Rolle spielen. Malerei, Fotografie, Installation oder Skulptur sind auf das Original angewiesen. 

Wir werden aber auch mehr hybride Formate erleben, und einzelne reine Online-Galerien könnten Bestand haben. Interessant ist zudem: Selbst digitale Kunst sucht oft die Präsentation im physischen Raum.