Interview

Ausbildung: "Bei uns gilt: Man muss Menschen mögen"

Philip Ibrahim, General Manager im Mercure Hotel Moa Berlin, sieht Ausbildung als einen zentralen Erfolgsfaktor in der Hotellerie. Er will Vorbild für die Talente in seinem Haus sein

Portrait von Philip Ibrahim, General Manager des Mercure Hotels Berlin

Philip ibrahim, General Manager Mercure Hotel Moa Berlin

Das Mercure Hotel Moa Berlin wird im kommenden Jahr als Independent Hotel & Eventlocation unter dem Namen Moa Berlin Gäste empfangen. Für General Manager Philip Ibrahim wird die Qualität der Ausbildung in seinem Haus daher noch wichtiger. 

Wie gut gelingt es Ihnen derzeit, Auszubildende für Ihr Hotel zu finden? 

Es ist nicht einfach. Wir bekommen zwar sehr viele Bewerbungen. Darunter sind aber extrem viele aus dem Ausland. 

Sind alle Ihre Azubistellen besetzt?

Wir haben noch offene Stellen, aber wir finden auch immer wieder passende Kandidaten. 

Wie viele Auszubildende haben Sie?

Es sind immer 30 bis 35 über alle Jahrgänge und Berufe hinweg. Die Zahl ist begrenzt durch die zehn Ausbilder, die wir haben. Uns ist wichtig, dass wir sehr gute Ausbildungen anbieten, und dafür brauchen wir sehr gute Ausbilder, die auch genug Zeit für diese Aufgabe haben. Ich denke, dass die Bedeutung der Ausbildung generell und vor allem die Qualität unserer Ausbildung für uns noch zunehmen werden.

Warum?

Wir haben den Franchisevertrag mit Accor zur Marke Mercure zum Ende des Jahres gekündigt und werden ab dem 1. Januar 2026 als ein sogenanntes Independent Hotel unter dem Namen Moa Berlin am Markt auftreten. Deshalb ist es uns sehr wichtig, dass unsere Azubis eine starke Bindung zu dem neuen Namen, zum Standort und zu unserem Konzept haben. Denn wir wollen sie nicht nur hier ausbilden, sondern auch halten. Sie sollen mit uns wachsen. Wir investieren eine ganze Menge in die Qualität unserer Ausbildung und sind sehr stolz, dass wir gerade erneut mit dem Dehoga-Qualitätssiegel „TOP-Ausbildungsbetrieb“ ausgezeichnet worden sind. 

Philip Ibrahim: "Die Ausbildungsplatzabgabe löst unsere Probleme nicht."
Aktuell ist die Ausbildungsplatzabgabe ein ­großes Thema. Dafür wäre wichtig, dass Unternehmen noch mehr Ausbildungsplätze ­schaffen. Ist die Zahl der Ausbilder der einzige ­begrenzende Faktor?

Die Ausbildungsplatzabgabe löst unsere Probleme nicht. Wir haben offene Stellen, und die sind im Moment nicht so einfach zu besetzen. Eines unserer größten Probleme ist möglicher Wohnraum. Ich glaube außerdem, dass eine Ausbildungsplatzabgabe zu einem großen bürokratischen Mehraufwand für alle Betriebe werden würde. In der Hotellerie sind wir schon durch die City-Tax erheblich mit Bürokratie belastet worden. Und Sie können sich gar nicht vorstellen, wie schwierig und langwierig es ist, die bürokratischen Hürden zu überspringen, um Menschen aus dem Ausland hier im Hotel einstellen zu können. 

Bekommen Sie den fehlenden Wohnraum bei der Suche nach Auszubildenden zu spüren? 

Natürlich. Wir müssen auch Talente aus dem Ausland und anderen deutschen Regionen holen, um den Bedarf zu decken. Aber wie sollen die mit ihrem Azubi-Gehalt in zentralen Berliner Lagen eine Wohnung bezahlen? Das ist ein echtes Problem, das wir mit der Ausbildungsplatzabgabe ganz sicher nicht lösen.  

 

Die Ausbildungsplatzabgabe würde zu einem großen büro­kratischen Mehraufwand für alle Betriebe werden.“
Philip Ibrahim General Manager
Auf welchen Wegen erzielen Sie heute die besten Ergebnisse bei der Suche nach Talenten?

Es ist ein Potpourri aus unterschiedlichen Maßnahmen, die wir alle sehr ernst nehmen müssen. Es ist ein sehr breites Feld, es kostet Geld, Zeit und Energie. Und du brauchst qualifizierte Personen – nicht nur die, die ausbilden, sondern auch die, die akquirieren. Es fängt an bei den Kontakten zu den neunten Klassen, den weiterführenden Schulen, den Träger- und Fördervereinen, die uns unterstützen. Wir bieten Praktika an und gehen auf Messen. 

Und sicherlich auch Social Media.

Klar, wir müssen auch mit den diversen Social-Media-Kanälen arbeiten, die die Kandidaten nutzen. Die IHK-Praktikumswoche finde ich auch ganz toll. Und auch den Girls’Day und den Boys’Day.

Worauf achten Sie bei der Auswahl der Azubis?

Vita und Zeugnis sind mir meist egal, wenn die Person Passion mitbringt. Ich gebe gern jungen Menschen eine Chance, die die Ausbildung als eine große Chance sehen, die sie unbedingt nutzen wollen. Aus dieser Gruppe wachsen immer wieder einzigartige Persönlichkeiten heran. Darüber hinaus gibt es noch ein Detail, auf das ich immer gucke.

Philip Ibrahim, General Manager des Mercure Hotels Berlin, spricht mit einem Auszubildenden

Im Gespräch mit einem Auszubildenden: Gute Vorbilder schaffen Nachahmer

Welches ist das?

Ich akzeptiere keine unentschuldigten Fehltage oder unentschuldigte Fehlzeiten. Denn das Wichtigste ist der Respekt vor den Arbeitszeiten und vor den Arbeitskollegen. Und die Deutschkenntnisse sind auch ein ganz entscheidender Punkt, weil in der Berufsschule Deutsch gesprochen wird. Dennoch haben wir viele Azubis mit einer Migrationsgeschichte. In der gesamten deutschen Gastronomie haben mehr als 50 Prozent der Mitarbeiter eine Migrationsgeschichte. Diesen Menschen müssen wir die Möglichkeit geben, zu wachsen, und dafür müssen wir ihnen auch mal einen Fehler erlauben.

Auch Sie haben eine Migrationsgeschichte. Ist das ein Vorteil, wenn Sie Menschen aus anderen Kulturen in den Hotelbetrieb integrieren?

Ja, den habe ich. Ich komme aus Schwaben, das gilt in Berlin ja auch als Migrationshintergrund (lacht). Mein Vater kommt aus Äthiopien. Tja, wie soll ich das sagen? Ich habe vielleicht eine höhere Street Credibility, weil ich mich entschlossen habe, nach dem Abitur in Baden-Württemberg nicht zu studieren. Ich bin auch nicht so der Typ, der hier immer im Anzug steht. Ich kann nachvollziehen, was Rassismus und Diskriminierung bedeuten. Ich habe eine Ausbildung im Hotelgewerbe gemacht und mich dann irgendwie hochgearbeitet. 

Wie spüren Sie die höhere Glaubwürdigkeit? 

Ich hoffe, dass ich den Auszubildenen ein Vorbild sein kann. Vorbilder sind notwendig. Gute Vorbilder schaffen Nachahmer. Wenn unsere Azubis sehen, vor ihnen steht jemand mit Migrationsgeschichte, der nicht studiert hat und Hoteldirektor geworden ist, dann fragen sie mich: Wie hast du das geschafft? Ich sage ihnen: Durch viel Arbeit, harte Arbeit, Fleiß, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit. Aber sie müssen nicht aus einem privilegierten Elternhaus kommen. 

Wie angesehen sind die Hotelberufe derzeit?

Das ist schwer zu sagen. Ich rate jungen Menschen, sich bewusst zu machen, was sie wirklich wollen. Wenn sie gern mit Menschen arbeiten, wenn sie Spaß daran haben, Leute mit einem Lächeln aus dem Haus gehen zu sehen, dann sind sie im Hotelgewerbe richtig. Bei uns gelten die vier Ms: Man muss Menschen mögen. Die Hotelbranche bietet gute Chancen für die, die schnell einen Managertitel haben möchten. Wir haben ein niedriges Einstiegsniveau, mit Fleiß und Leistung entstehen tolle Möglichkeiten. Es heißt ja auch: Vom Tellerwäscher zum Millionär.

 

Portrait von Philip Ibrahim, General Manager des Mercure Hotels Berlin

Karriere ohne Hochschulstudium: Philip Ibrahim vor der Hotelrezeption

Schüler müssen erst einmal auf die Idee kommen, dass sie in einem Hotel arbeiten können. Bieten die Schulen genug Berufsorientierung? 

Ich bin mir fast sicher, dass es mehr und bessere Möglichkeiten gibt, um Schülern früher Ideen von Berufen zu geben. Aber ich bin kein Lehrer, und ich kann und will nicht beurteilen, wie das in den Schulalltag integriert werden könnte. Was man aus meiner Sicht in puncto Berufsorientierung auf jeden Fall besser machen kann, ist, auch in der Oberstufe noch aktiver auf Ausbildungsberufe hinzuweisen und nicht nur den akademischen Weg möglich zu machen. Ich könnte schnell zehn Hotels zusammenbringen, die entsprechende Projekte in Oberstufen unterstützen würden.

Gehen Sie auch selbst in Schulen, um für ­Hotelberufe zu werben?

Ich bin häufig in Schulen. Das ist ein ganz wichtiges Element, um eine Vorbildfunktion wahrzunehmen. Es ist immer wieder schön, die vielen einzigartigen Geschichten, die ich in unserer Branche erlebt habe, mit jungen Leuten zu teilen. Sie hören mir zu. Das liegt wohl daran, dass ich locker auftrete und etwas zu erzählen habe. Ich habe mal in Afrika gearbeitet, im Tschad, einem Krisengebiet. Das finden sie spannend. Und ich nehme auch Azubis aus unserem Haus mit, damit die Schülerinnen und Schüler die Berufe auch aus dieser Perspektive kennenlernen. 

Welche Fragen stellen Ihnen die Schülerinnen und Schüler?

Ganz unterschiedlich, natürlich fragen sie mich, wie viel ich verdiene und wie lange ich jeden Tag arbeite. Aber es geht zum Beispiel auch darum, welche Stars ich schon kennengelernt habe. Grundsätzlich finde ich es besser, nicht vor einer ganzen Klasse zu sprechen, sondern vor einer Gruppe, die tatsächlich schon ihr Interesse an einer Ausbildung in einem Hotel erklärt hat. Wobei man so ein bisschen um die Ecke denken muss, um das Interesse zu wecken.

Wie meinen Sie das?

Wenn ich frage, wer will Koch oder Köchin werden, bleiben alle stumm. Wenn ich frage, wer hat schon einmal die Küchenschlacht im Fernsehen gesehen und hat Lust so etwas auch zu machen, dann gehen viele Finger hoch. Oder ich frage: Wer hat Bock mal auf Bali zu arbeiten? Wer möchte Animateur in der Türkei sein? Das weckt Interessen an der Hotelbranche. Und darüber freuen wir uns.
 

Zur Person

Philip Ibrahim ist seit Februar 2025 General Manager im Mercure Hotel Moa Berlin. Zuvor war er über fünf Jahre lang in gleicher Funktion im The Social Hub tägig. Zugleich ist er Vizepräsident im Dehoga Berlin.