Tourismus in großer Höhe

Höchste Attraktion Berlins - Fernsehturm ist Touristenmagnet

Fernsehturm-Geschäftsführerin Anja Nitsch spricht sich dafür aus, in Berlin im Bereich der Attraktionen für Touristen künftig mehr auf Qualität als auf Quantität zu setzen.

Eine junge blonde Frau steht an einem Geländer

Fernsehturm-Chefin Anja Nitsch blickt aus rund 200 Metern Höhe über Berlin

Einen besseren Überblick über Berlin hat wohl keine andere Tourismusmanagerin in der Stadt: Anja Nitsch ist seit September 2023 Geschäftsführerin der TV-Turm Alexanderplatz Gastronomiegesellschaft mbH. Ihr Ziel ist, den Fernsehturm zukunftsfähig zu machen und auch jüngere Zielgruppen und Menschen aus der Region für einen Besuch zu begeistern. Unter anderem damit: Vor kurzem wurde das Restaurant unter kulinarischer Leitung von Sternekoch Tim Raue wiedereröffnet. 

Berliner Wirtschaft: Was macht Berlin Ihrer Ansicht nach für Touristen attraktiv? 

Anja Nitsch: Die meisten Touristen kommen nach Berlin, um sich über Geschichte zu informieren und historische Orte zu besuchen. Da haben wir viel zu bieten. Es existieren noch originale Teile der Mauer, wir haben tolle Bauwerke aus früheren Zeiten. Das unterscheidet Berlin von vielen anderen deutschen Großstädten. Auf der anderen Seite haben wir keine großen Freizeitparks, aber immerhin genügend Freizeitattraktionen, die neben den historischen Orten auch gern besucht werden. 

Dann gehört der Fernsehturm zur zweiten Kategorie, die nebenbei auch besucht wird. 

Auch der Fernsehturm hat die Aufgabe, Berliner Geschichte zu erzählen. Wir machen das zum Beispiel über unsere Virtual Reality Experience – der „Berlin’s Odyssey“ –, mit der wir in die Berliner Historie eintauchen. Viele internationale Touristen können sich nicht vorstellen, wie eine Stadt geteilt sein kann, und wollen möglichst viel dazu wissen. Aber auch der Fernsehturm selbst hat eine Geschichte, die wir in der Aussichtsplattform und virtuell wiedergeben. Der Turm existiert seit 55 Jahren. Es gibt viele Zeitzeugen, die viele Erinnerungen haben. 

 

Anja Nitsch über die Berliner Stärken im Tourismus
Aus welchem Grund kommen Touristen hauptsächlich zu Ihnen?

 In erster Linie sind wir eine Aussichtsplattform, wir bieten einen einzigartigen Blick auf die Stadt. Für Menschen, die die Stadt kennenlernen wollen, ist der Blick von oben sehr reiz- und wertvoll. Wenn ich durch eine große Stadt laufe, kann ich die Dimension nicht erkennen. Von oben bekomme ich ein Gefühl, wie diese Stadt aufgebaut ist. Ich finde Berlin von oben unheimlich grün. 

Wie hoch ist die Auslastung des Fernsehturms?

Sehr unterschiedlich. Wir sind ein Saisonbetrieb, wie es in der Tourismusbranche üblich ist. Die ruhigste Zeit beginnt nach Weihnachten. Der Januar ist oft neblig, die Sicht ist schlecht. Die Saison beginnt bei uns im April mit den Osterferien und endet mit den Herbstferien. November und Dezember sind dann wieder geprägt von Weihnachtsfeiern in unserem Restaurant.

Wie versuchen Sie, die Auslastung zu steigern?

In der Hochsaison können wir sie kaum steigern, weil unsere Kapazitäten begrenzt sind. Wir haben ein Sicherheitskonzept. Es dürfen sich maximal 400 Personen in der Kugel befinden. Natürlich würde es auch uns – wie dem gesamten Berliner Tourismus – helfen, wenn die Anbindung Berlins im Luftverkehr besser wäre. Es gibt zu wenig Direktflüge nach Berlin, insbesondere aus Asien. Wir brauchen eine gute Marketingkampagne im Berlin-Tourismus, die das berücksichtigt. Und dass dort, wo Interesse an Berlin besteht, Menschen angesprochen werden. Ich fürchte, in Asien ist im Moment nicht viel zu holen. 

 

Es gibt zu wenig Direktflüge nach Berlin, insbesondere aus Asien.“
Anja Nitsch Geschäftsführerin
Im Berlin-Tourismus insgesamt sind die Besucherzahlen aus der Vor-Corona-Zeit noch nicht wieder erreicht worden. Gilt das auch für den Fernsehturm? 

Ja, auch wir sind noch nicht wieder auf dem Niveau. Insbesondere die Besucher aus Asien vermissen wir schmerzlich. Das Vor-Corona-Niveau erreichen wir vielleicht nie wieder im Fernsehturm und in Berlin insgesamt. Ich finde das aber auch gar nicht so schlimm.

Warum nicht?

Wir sollten nicht allein in der quantitativen Dimension denken. Ich denke, es wäre besser, zusätzliche Qualitäten zu schaffen, die von Touristen geschätzt und bezahlt werden. Deshalb müssen wir uns eher die Frage stellen: Wollen wir überhaupt die alten Zahlen wieder erreichen? Wir haben während der Pandemie ein neues Abstandsgefühl entwickelt. Die Menschen fühlen sich nicht mehr so wohl in vollgestopften Attraktionen. Daran müssen sich die Betreiber anpassen.

 

Eine junge blonde Frau sitzt am Tisch bei einem Interview

Anja Nitsch im Interview

Wie kann das gelingen?

Durch zusätzliche Angebote. Die, die noch kommen, zahlen vielleicht für ein Getränk an der Bar, was sie sonst nicht gemacht hätten, weil es früher einfach viel zu voll dafür war. Wir werden irgendwann zumindest in die Nähe der Vor-Corona-Zahlen kommen, aber den letzten Schritt schaffen wir vielleicht nie, weil wir uns darauf konzentrieren werden, dass die, die kommen, hier wirklich eine schöne Zeit haben, uns weiterempfehlen und wiederkommen. Das sollte uns im Zweifel wichtiger sein, als die Massen zu mobilisieren.

Ist das für Sie auch ein Thema?

Natürlich, auch wir versuchen, unsere Qualität zu erhöhen. Wir investieren dafür kräftig. Schon deshalb, weil die Besucher aus Asien ausblieben. Erfreulich ist, dass zu uns sehr viele Menschen aus den USA und aus Großbritannien kommen. Aber wir müssen auch darüber hinaus neue Zielgruppen adressieren. Aus diesem Grund sprechen wir verstärkt die Berliner und Brandenburger an. Wir haben gerade das Restaurant modernisiert und wiedereröffnet und unter dem Namen „Sphere Tim Raue“ ein neues Konzept etabliert.

Was versprechen Sie sich von einem Sternekoch im Fernsehturm?

Tim Raue ist in der Region sehr bekannt und populär. Das Interesse ist groß. Wir servieren unter seiner kulinarischen Leitung typisch deutsche und lokale Gerichte, so wie sie zum Turm passen – aber eben interpretiert von Tim Raue. Das macht viele neugierig. Er ist ja beispielsweise bekannt dafür, dass er gut und kräftig würzt.

Welche Rolle nimmt Tim Raue ein?

Er gibt das kulinarische Konzept vor. Wir sind nach wie vor der Betreiber des Restaurants. Sein Hoheitsgebiet ist das, was auf der Karte steht. Er entscheidet, was gekocht wird und wie es angerichtet wird. Aber wir arbeiten mit unserem Team, mit unseren Köchen. Wir sind eben kein gewöhnliches Restaurant. Gegessen wird in 207 Metern Höhe, die Küche ist unten, die fertigen Gerichte werden mit dem Fahrstuhl nach oben gebracht. Darauf muss auch die Speisekarte ausgerichtet werden. Die Zusammenarbeit zwischen unserem Personal und Tim Raue ist für beide Seiten eine spannende Sache.

Wie kam es zum Engagement? 

Unser Marketingchef hatte die Idee. Aber Tim Raue wollte für kein weiteres Restaurant tätig werden. Er kam dennoch zu uns, und als er von der Aussichtsplattform über Berlin sah, meinte er, seine Großeltern wären sehr stolz auf ihn, wenn von ihm die Gerichte im Restaurant des Berliner Fernsehturms kämen. So hat er zugesagt. Wir freuen uns. Wir wollen den Fernsehturm noch attraktiver und zukunftsfähig machen. Wir wollen, dass er wieder stärker in der Stadt wahrgenommen wird, auch in der jüngeren Generation – als Touristenattraktion und als Ausflugsziel für Berliner und Brandenburger.

 

Frau mit blonden Haaren und blauem Oberteil lehnt an einem Holztresen in einem modernen Raum mit großen Fenstern und mehreren Personen im Hintergrund

Anja Nitsch an der Bar der Aussichtsplattform

Wie viele Besucher kommen aus der Region?

Das können wir nicht messen. Wir gehen davon aus, dass 50 Prozent der Besucher aus dem Ausland sind und die andere Hälfe aus Deutschland stammt.

Sehen Sie weiteren Bedarf für Attraktionen in Berlin, die die Historie der Stadt behandeln?

Es ist sehr, schwer dafür neue Attraktionen zu etablieren. Wer nach Berlin kommt, um etwas über die Geschichte der Stadt zu erfahren, der geht in die Museen und an die Originalschauplätze. 

In welchem Bereich könnten sich eher neue Attraktionen etablieren?

Ich könnte mir vorstellen, dass die Themen Technologie, künstliche Intelligenz, Spezialeffekte, Projektionen Potenzial haben. Die Menschen suchen etwas ganz Neues, das es auf dem Markt noch nicht gibt.

Bieten Sie auch Raum für Firmenveranstaltungen?

Wir wägen das immer sehr gut ab. Wir schließen ungern für große Events den ganzen Turm. Viele Touristen wissen dann nicht, dass eine geschlossene Veranstaltung stattfindet, und sind enttäuscht. Aber es gibt immer mal wieder Firmenfeiern, auch mit 50 bis 100 Leuten. Ab 160 Personen sagen wir: Dann müsst ihr das Restaurant exklusiv mieten, einschließlich der Aussicht.

Zur Person

Anja Nitsch arbeitet seit September 2023 als Geschäftsführerin für den Berliner Fernsehturm. Davor war sie mehr als 15 Jahre lang bei Merlin Entertainments, wo sie als General Manager für Legoland, Little Big City sowie den Aquadom & Sea Life Berlin zuständig war.