Die konjunkturelle Dynamik in Berlin lässt nach, erstmals seit vier Jahren. Dafür zeichnen sowohl skeptischere Erwartungen als auch die nachlassende Geschäftsdynamik in den vergangenen Monaten verantwortlich. Es darf vom Ende der außergewöhnlich langen Hochkonjunkturphase der vergangenen Jahre gesprochen werden.
Konjunktur weltweit unter Druck
Die Prognosen der Unternehmen trüben sich zum zweiten Mal in Folge ein; aktuell notiert der Erwartungsindikator neun Punkte unter dem Höchststand von 33 Zählern aus dem Sommer 2018. Ursachen für die gedämpfte Stimmung gibt es reichlich: Die Industriekonjunktur gerät weltweit unter Druck, Chinas Export schrumpft, und Handelsströme fließen weniger reibungslos. In Europa geraten die Reformvorhaben ins Stocken, die Schulden Italiens in den Blick und der Brexit außer Kontrolle. Risiken, wohin man sich wendet – und hier sind primär (geo-)politische Konflikte nicht einmal genannt. Wenn der alte Kostolany-Psalm gilt, nach dem Kapital ein scheues Reh ist, wundert es kaum, dass weite Teile der Wirtschaft aktuell verunsichert sind.
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Dazu kommt, dass Teile der Berliner Politik sich wieder verstärkt als Kapitalabschrecker inszenieren. Wirtschaft wird vermehrt als Bürgerschreck ausgemacht, als Problemverursacher – die bereits gezügelte Dynamik der sozialen Marktwirtschaft soll weiter gezügelt werden. Die unternehmerische Freiheit bleibt in diesem Denken auf der Strecke. Auch diese Entwicklungen dürften die Aussichten in manchem Unternehmen eintrüben.
Stabilisierung durch deutsche Binnennachfrage
Allen Gefahren zum Trotz stürzt die Konjunktur nicht ab. Es gibt starke stabilisierende Kräfte, die das verhindern. Die deutsche Binnennachfrage hat sich in den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Konjunkturstütze gemausert und ist in der Lage, rückgängige Exporte zumindest teilweise zu kompensieren. Die Finanzierungskosten sind weiterhin niedrig wie nie, wenn auch ihre Wirkung keinesfalls als rein positiv beurteilt werden sollte. Desgleichen bleibt der Ölpreis günstig, mithin als Treibstoff der Weltwirtschaft einfach verfügbar. Die Digitalisierung wirkt als struktureller Investitionstreiber, ebenso der rasant wie nie zuvor verlaufende technische Fortschritt.
Hohe Einnahmen der öffentlichen Hand
Weiterhin modernisieren sich weltweit zahlreiche Volkswirtschaften, sie benötigen Investitionsgüter und Know-how. Sicherheit geben im Moment auch die hohen Einnahmen der öffentlichen Hand. Sie tragen wesentlich zur Binnennachfrage bei. Im Falle eines konjunkturellen Abschwungs können Staatskassen aber auch schnell in Schieflage geraten. Denn dann steigen die Sozialausgaben, während die Steuer- und Beitragseinnahmen sinken.

Die bremsende Konjunktur zeigt sich besonders deutlich in den Umfrageergebnissen der Berliner Industrie. Deren Indikator der Geschäftslage beträgt aktuell 44 Punkte. Im Herbst 2017 hatte er mit 65 Punkten sein Maximum erreicht. Der Erwartungsindikator war zuletzt ebenfalls rückläufig und zählt aktuell 28 Punkte. Die Investitions- und Beschäftigungsplanungen sind verhaltener als noch in den Vorumfragen. Angesichts der möglichen Binnenmarktturbulenzen im Angesicht des Brexits keine überraschende Entwicklung.
Dienstleistungssektor weniger temporeich
Der Geschäftslageindikator der Dienstleister geht erstmals seit dem Jahr 2017 leicht zurück. Die größte, ob ihrer Heterogenität schwer fassbare Berliner Branche trägt damit wesentlich zur abnehmenden Dynamik in der Gesamtwirtschaft bei. Die schwächere Entwicklung kommt nicht überraschend: Die Branche hatte bereits im Herbst 2018 mit zukünftig weniger guten Geschäften gerechnet. Zurück geht auch der Erwartungsindikator. Dessen Zeitreihe fällt auf 26 Punkte, nach 33 Punkten im Vorjahr. Da auch die Personalplanungen etwas schwungloser sind als zuletzt, dürfte der Sektor in den kommenden Monaten weniger temporeich wachsen. Da dieser 82 Prozent zur Berliner Wirtschaftsleistung beiträgt, sollte man den gesamtwirtschaftlichen Effekt nicht unterschätzen.
Gut liefen die Geschäfte im Handel zum Ende des vergangenen Jahres. Der Indikator der Geschäftslage steigt auf 53 Punkte, ein ähnlich hoher Wert wie vor Jahresfrist. Das Feiertagsgeschäft scheint also zufriedenstellend verlaufen zu sein. Dies gilt nur eingeschränkt für die Zuversicht der Unternehmen in Bezug auf die kommenden Monate. Der Prognoseindikator beträgt nur noch 14 Punkte, nach 34 Punkten im Frühsommer 2018 und 19 Zählern vor zwölf Monaten. Zwar sind im Handel deutliche Ausschläge in der Zeitreihe des Erwartungsindikators nicht ungewöhnlich. Doch der deutliche Einbruch wird begleitet von ebenfalls abnehmenden Personalplanungen. Unbedingte Zuversicht scheint daher weniger angebracht als die Erwartung, dass sich die Handelskonjunktur etwas abkühlen dürfte.
Baugewerbe weiterhin uneingeschränkt positiv
Fast einschränkungslos positive Ergebnisse fördert die Umfrage im Baugewerbe zutage. Wenig überraschend angesichts der weiterhin hohen Baunachfrage in Berlin und im Umland. Nicht eines von 27 befragten Unternehmen berichtet von schlechten Geschäften. Und nur ein Unternehmen erwartet, dass sich die Lage in den kommenden Monaten verschlechtern könnte. Folgerichtig plant die Branche den Aufbau weiterer Beschäftigung – vorausgesetzt, es finden sich geeignete Mitarbeiter.